Obermair, Robert : Kurt Willvonseder. Vom SS-Ahnenerbe zum Salzburger Museum Carolino Augusteum

Lebenswelt
Ahnenerbe -Wie nicht leben
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Online-Publikation: Januar 2016 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<<  Obermair, Robert : Kurt Willvonseder. Vom SS-Ahnenerbe zum Salzburger Museum Carolino Augusteum >>
272 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag; ISBN: 978-3-7013-1225-2; € 22
Otto Müller Verlag, Salzburg; http://www.omvs.at; http://www.omvs.at/de/literatur-und-kritik/


Charakteristika
-Wer war dieser Mann, der in Salzburg zu solch hohen Ehren gekommen ist?
-Sein nationalsozialistischer Hintergrund als Wissenschaftsorganisator von 'Ahnenerbe'*:

*) Die Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e.V. war eine nationalsozialistische Forschungseinrichtung, deren primäre Aufgabe darin bestand, wissenschaftliche Belege für die Abstammung und Überlegenheit der sogenannten arischen Rasse zu finden.
http://de.verschwoerungstheorien.wikia.com/wiki/Forschungsgemeinschaft_Deutsches_Ahnenerbe
http://www.degruyter.com/view/product/228710
Im Vordergrund standen anfangs archäologische, anthropologische und geschichtliche Forschungen, vor allem über Heinrich I. (919-936) und das schriftarme 10. Jahrhundert (vgl. Phantomzeit). Rasch aber nutzte der stark an okkulten Themen interessierte Himmler das Ahnenerbe als Forschungsapparat für eigene, pseudowissenschaftliche Projekte. Grade diese Projekte, wie etwa die Gralssuche Otto Rahns, die Tibet-Expedition von Ernst Schäfer oder die Untersuchung der Hexenverfolgung, sind Gegenstand einiger Verschwörungstheorien


Inhalt
Anfang November 1968 hielt der Salzburger Landtag eine Schweigeminute ab. Man gedachte des kurz zuvor verstorbenen Urgeschichtsforschers, Museumsdirektors und Universitätsprofessors Kurt Willvonseder. 1903 geboren, verblieb er nach seiner Promotion an der Wiener Universität und arrangierte sich in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft vortrefflich mit dem neuen System. Als SS-Offizier in der nationalsozialistischen Wissenschaftsorganisation Ahnenerbe machte er schnell Karriere, sowohl in der Denkmalpflege als auch im universitären Bereich. 1945 aus sämtlichen Ämtern entlassen, war es ihm unmöglich, in Wien erneut Karriere zu machen, in Salzburg hingegen gelang es ihm, wieder zu Amt und Würden zukommen.
Mit Hilfe von Originalquellen aus zahlreichen Archiven versucht der Salzburger Historiker Robert Obermair Leben und Wirken dieser schillernden Forscherpersönlichkeit nachzuzeichnen und zu ergründen, wie die Reintegration ehemaliger Nationalsozialisten in der Stadt Salzburg vonstattenging.

Protagonisten-Duo:
Charakterisierendes Täterprofil
Kurt Willvonseder
(* 10. März 1903 in Salzburg; † 3. November 1968 ebendort) war Archäologe mit Schwerpunkt Bronzezeit und Direktor des Salzburger Museum Carolino Augusteum.
Willvonseder maturierte 1922 am Akademischen Gymnasium in Salzburg und studierte anschließend in Wien und Stockholm Altgermanistik, Skandinavistik und Prähistorie. 1933 promovierte er zum Dissertationsthema "Der Untersberg und seine Sagen" und 1937 habilitierte er sich mit einer Arbeit über die mittlere Bronzezeit in Österreich.
Von 1937 bis 1945 arbeitete er am Bundesdenkmalamt in Wien, unter anderem als Leiter der Abteilung für Bodenaltertümer, der Vorgängerorganisation der heutigen Abteilung für Bodendenkmale. 1940 für zwei Trimester Leiter des Extraordinariats des Innsbrucker Institutes für Ur- und Frühgeschichte, ab 1943 dann außerordentlicher Professor der Urgeschichte in Wien.
Von 1. September 1954 bis zu seinem Tod im Jahre 1968 war er Direktor des Salzburger Museums Carolino Augusteum und lehrte außerdem an der Universität Salzburg. 1965 wurde er Mitglied des International Council of Museums der UNESCO. 1967, ein Jahr vor seinem Tode, erhielt er den Titel Außerordentlicher Universitätsprofessor.
http://www.salzburg.com/wiki/index.php/Kurt_Willvonseder
https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Willvonseder

Charakterisierendes Opferprofil
Richard Pittioni
habilitierte sich bereits 1932, musste jedoch im März
1938 aus politischen Gründen sein Lehramt niederlegen...
https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Pittioni

P.s Interesse für die Prähistorie wurde bereits in seiner Jugend durch die paläolithischen Funde in Oberwisternitz geweckt, wo er regelmäßig den Sommer verbrachte. 1925 maturierte er in Wien. Nach Studien an der Hochschule für Welthandel (1925/26) und in der juristischen Fakultät der Univ. Wien (1926) widmete er sich seit 1927 der Urgeschichte bei →Oswald Menghin (1888–1973). 1929 wurde P. zum Dr. phil. promoviert und anschließend Universitätsassistent am Urgeschichtlichen Institut, wo er sich 1932 mit einer Studie über die La-Tène-Zeit in Niederösterreich für „Prähistorische Archäologie“ habilitierte. Ende 1937 wechselte er in das Röm. Museum der Stadt Wien und 1938 in das Burgenländ. Landschaftsmuseum Eisenstadt, wo er die Nachfolge von →Alphons Barb (1901–79) antrat, der wegen seiner jüd. Abstammung emigrieren mußte. 1942-45 leistete er Militärdienst.
Nach Kriegsende erhielt P. seine Venia legendi, die er im März 1938 unter Unterrichtsminister Menghin zurückgeben mußte, wieder zurück; er wurde 1946 zum ao. Professor für die Urgeschichte des Menschen und zum Vorstand des Urgeschichtlichen Instituts in Wien bestellt (o. öff. Prof. 1951, 1960-62 Dekan, 1964-67 Senator d. phil. Fak.). Unter der Leitung P.s knüpfte das Institut wieder an seine wissenschaftliche Reputation an, die es nach seiner Gründung durch Moritz Hoernes genossen hatte. Durch seine Lehrtätigkeit prägte P. die gesamte Nachkriegsgeneration der österr. Prähistoriker. 1948 gründete er die Fachzeitschrift „Archaeologia Austriaca“. 1954 erschien seine „Urgeschichte des österr. Raumes“, ein Standardwerk, das bis in die 1970er Jahre die Prähistorie bestimmte. Auch nach der Emeritierung 1976 setzte P. seinen Vorlesungszyklus über die „Systematische Urgeschichte“ bis 1984 fort. Er beschäftigte sich intensiv mit Fragen des urzeitlichen Kupfererzbergbaues in den Ostalpen und regte spektralanalytische Untersuchungen der Metallfunde an. Seit den späten 60er Jahren verlagerten sich seine Forschungsinteressen in Richtung Mittelalter- und frühneuzeitlicher Industriearchäologie. Daneben befaßte sich P. mit terminologischen und methodischen Fragen und entwarf eine Gliederung der Urgeschichte in die Zeitabschnitte Lithikum, Keramikum und Metallikum. Aus heutiger Sicht erscheint sein Geschichtsbild allerdings als zu schematisch und konstruiert.|


Autor
Robert Obermair, geboren 1989 in Schwanenstadt. Nach der Matura in Vöcklabruck begann er 2008 in Salzburg sein Studium der Geschichte und Anglistik/Amerikanistik (inklusive eines Austauschsemesters an der University of Leicester). Mit der vorliegenden Arbeit zu Kurt Willvonseder schloss er 2013 sein Diplomstudium am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg ab. Ihm wurde dafür der renommierte Herbert-Steiner-Anerkennungspreis 2014 verliehen.

Fazit
Der Historiker Robert Obermair hat mit umsichtigem und trefflich scharfen Blick 'auf & in' eine wissenschaftliche Persönlichkeit wie Kurt Willvonseder - mit nationalsozialistischem Hintergrund als Wissenschaftsorganisator von 'SS-Ahnenerbe' - ein charakteristisches, zugleich systemisches Profil geschaffen. Und damit eine präzise charakterisierende sozial-nationalistische Täter-Opfer-Skulptur entborgen (Beuys-Heidegger).
Quintessenz: Systemisch wie beispielhaft ist der Be- /Entziehungs-Zusammenhang zwischen einem Täter und seinem Opfer in einem totalitären bis demokratischen Strukturverlauf. Somit ist diese sozial-historische Tiefen-Studie von bleibender und aktueller Bedeutung zum menschlichen Fehl-/Verhalten unter gesellschaftlich wahnhaften und -bildenden Bedingungen. m+w.p16-1

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