Andrea Zittel, Monika Sosnowska West >< Ost . Zwei Schönheiten / Trivialitäten begegnen einander

<< Schaulager-Ausstellung: Andrea Zittel, Monika Sosnowska. 1:1 - 26. April bis 21. September 2008 >> K

Konzeption: Theodora Vischer und Andrea Zittel, Monika Sosnowska Umfang: Andrea Zittel, rund hundert möbelartige Objekte, Raumgebilde und Gegenstände sowie etwa 120 Gouachen, Zeichnungen und Malereien auf Holz; Monika Sosnowska, eine Gruppe von neun, zum Teil monumentalenSkulpturen, entweder ganz neu geschaffene oder in vollkommen neuer Form eingerichtet

Öffentlichkeitsarbeit: S. Graus, s.graus@schaulager.org ; www.schaulager.org Vertiefende  Hinweise: http://www.kultur-punkt.ch/praesentation/architektur/residenz08-4schuette-lihotzky.htm http://www.kultur-punkt.ch/buchtipps-allgemein/rowohlt08-4buescher-berlinmoskau.htm  
ÜBERBLICK und FAZIT << Schaulager-Ausstellung: "Andrea Zittel, Monika Sosnowska. 1:1 ". 26. - 21. 9. 2008 /

Bildhinweise derzeit http://archiv.kultur-punkt.ch/praesentation/ereignisse/schaulager08-4zittel-sosnowska-fazit.htm

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West >< Ost . Zwei Schönheiten / Trivialitäten begegnen einander - Burlesk-ornamentale Metamorphose einer Amerikanerin trifft die Dekonstruktive Metamorphose einer Polin 1:1 auf einer Schaubühne im Schaulager.>> Andrea Zittel verwandelt und formt mit einem Hauch anakreontischer Parodie u.a. normative Innenraumgestaltungen, insbesondere die des Küchenmöbelstandard-Vorbildes des frühen 20. Jhdts. Schuette-Lihotzky (Berlin-Wien), Pionierin der linken Frauenbewegung in der Architektur, bei Zittel zartfarben parodisch und entspannt, auf der Suche einer neuen selbst lebenden Gestaltungsäusserung in vielen Stoffen und Mixed Media, als alltagsbefreiende Lebensäusserung / -Stil anvisiert, sich selbst autobiografisch reflektierend in ihren eindrücklichen Farbgrafiken. w.p.


Monika Sosnowska dokumentiert und verformt gegebene und sich wandelnde Lebenssituationen in Bau-Stoffen und zeigt in ihren Fotoserien ihre Betroffenheit sozialistisch-realistischer Objekte, Räume und Menschen, die der Autor und Fussreisende Wolfgan Büscher von Berlin durch Polen nach Moskau narrativ erarbeitete - und in den Objekten von Sosnowska visuell sichtbar werden und die Frage der Abnabelung von bedrückenden Systemen offen lassen... auf der Suche nach Erdung / Universum  abstrakt-materiell ... w.p.
INHALT Die zwei Protagonistinnen der diesjährigen Ausstellung sind Monika Sosnowska (geb. 1972, Polen) und Andrea Zittel (geb. 1965, Kalifornien). Zu sehen ist eine Gruppe von neun, zum Teil monumentalen Skulpturen von Monika Sosnowska, die den offenen Raum im Untergeschoss des Schaulagers in Besitz nehmen. Darüber breitet sich in einer dichten Abfolge von rund hundert möbelartigen Objekten, Raumgebilden und Gegenständen sowie etwa 120 Gouachen, Zeichnungen und Malereien auf Holz das vielgestaltige Universum von Andrea Zittel aus, wie sie es seit 1992 entwirft. Im Schaulager treffen die beiden Positionen zum ersten Mal aufeinander. Die eine, Zittel, in Form einer breit angelegten, narrativen Präsentation ihres merkwürdig eindrücklichen, in seiner Direktheit berührenden Projektes. Die andere, Sosnowska, in Form von vereinzelten Skulpturen, die momenthaft Einblicke in einen subversiven Gedankenfluss geben und die Logik des grossen Ausstellungsraumes aufheben. Sämtliche Objekte in der vielteiligen Installation, die Andrea Zittel im Schaulager eingerichtet hat, erinnern an Zusammenhänge, die mit Wohnformen und -räumen zu tun haben. Es sind minimale und schöne, formvollendete Konstruktionen und Gegenstände. Sie wirken zumeist neu und modellhaft und scheinen sich dabei doch klar auf eine bestimmte einzelne Person zu beziehen. Die bilderbuchartigen, buntfarbigen Gouachen und Gemälde sind Entwürfe und Illustrationen, die in einer faszinierenden Mischung von anonymem Bericht und Tagebuch die Entstehung des Zittelschen Lebensentwurfs zu dokumentieren scheinen. Noch nie wurden sie so umfassend gezeigt. Die Skulpturen, die Monika Sosnowska im Schaulager zu einer weiträumigen Installation zusammenbringt, sind zum Teil ganz neu geschaffen oder in vollkommen neuer Form eingerichtet. In Gestalt und Materialien erinnern sie alle an Teile von unfertigen – verfallenden oder noch unbeendeten – Gebäuden, und sehen so aus, wie wenn der Ausgangspunkt ihrer Entstehung eine Baustelle wäre. Allerdings haben sich die Objekte von der „Baustelle“ bis in den Ausstellungsraum verselbständigt und zu Subjekten transformiert, die zum Teil phantastische Gestalt annehmen. Die beiden Künstlerinnen reagieren auf ihre jeweilige Umgebung, auf Architektur, Wohnraum, Lebensform und Tradition – sei dies in New York und Los Angeles bei Zittel, sei es im Warschau des 21. Jahrhunderts bei Sosnowska. Andrea Zittel mit scheinbar zur Benutzbarkeit geplanten Raum-, Möbel- und Gegenstandsentwürfen; Monika Sosnowska mit fiktionalen Raumgebilden, Form gewordenen mentalen Raumerkundungen. Beide im Massstab 1:1 konstruiert. Das '1:1' im Ausstellungstitel nimmt zuerst wörtlich auf die tatsächliche Massstäblichkeit vieler Werke von Monika Sosnowska und Andrea Zittel Bezug, die ungewöhnlich ist und auffällt. Hervorgehoben wird damit aber auch, dass sich das künstlerische Schaffen von Zittel und Sosnowska in einem Grenzbereich zwischen Kunst und Wirklichkeit abspielt, dass es – unter ganz verschiedenen Vorzeichen – in beider Schaffen immer wieder um das Austesten des Verhältnisses von Kunst und Wirklichkeit geht. Kein Wunder daher, wenn auch bemerkenswert, dass beide ein Interesse an der Epoche der Moderne mit ihren sozialen Utopien und konkreten Versuchen, Leben und Kunst zusammenzuführen, zeigen. Grenzverwischung zwischen unterschiedlichen Wirklichkeitsebenen ist im Leben und Werk sowohl von Andrea Zittel als auch von Monika Sosnowska ein prägendes Merkmal.
ZUR KÜNSTLERIN:  Andrea Zittel wurde 1965 in Escondido in Kalifornien geboren. Nach der Schule besuchte sie die San Diego State University, wo sie 1988, mit dreiundzwanzig, mit dem BA in Painting and Sculpture abschloss. Im Anschluss daran zog Zittel an die Ostküste, an die Rhode Island School of Design in Providence, wo sie 1990 den MA of Sculpture erlangte. Die nächste und erste selbständige Station war New York, wo sie sich in Brooklyn niederliess. In New York begründete Zittel 1991 ihr künstlerisches Unternehmen „A-Z“, ein Projekt, in dessen Rahmen sie seither alle ihre Recherchen durchführt und ihre Werke – möbelartige Objekte und Räume, Kleider und Gebrauchsgegenstände – entwirft und im Massstab 1:1 produziert. Mit „A-Z“ schafft Zittel den experimentellen Raum für eine Parallelwirklichkeit, in der die Unterscheidung von Kunst und Wirklichkeit obsolet geworden ist. Kaum in New York angekommen, konnte Andrea Zittel an Ausstellungen teilnehmen. Bald schon war sie in zahlreichen Gruppenausstellungen in den USA und ebenso in Europa vertreten, so z.B. prominent an der Documenta X von Catherine David 1997. Ihre erste umfassende Einzelausstellung begann 2005 in Houston und war an vier weiteren Orten in Amerika und Kanada zu sehen. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre verlässt Zittel immer wieder für längere Perioden New York, während denen sie sich in Europa aufhält und auf längeren Reisen das nicht urbane Amerika erkundet. Immer wieder führt in diesen „Wanderjahren“ die Reise in den Westen. 2000 schliesslich beginnt Zittel ein neues Kapitel in und um Los Angeles. Sie erwirbt dort in der Wüste von Kalifornien eine verlassene Unterkunft (ein ehemaliges sog. Homestead Unit) und das dazugehörige Stück Land, das Zittel nun „A-Z West“ nennt und zu ihrem neuen Versuchsfeld macht. Sie lebt seither dort und in Los Angeles.
ZUR KÜNSTLERIN:  Monika Sosnowska kam 1972 in Ryki im Südosten von Polen auf die Welt. 1993 bis 1998 besuchte sie die Kunstakademie in Posen und machte dort den MA. Danach, 1999-2000, verbrachte sie ein Jahr in Amsterdam an der Rijksakademie van Beeldende Kunsten, ein wichtiges Jahr, währenddem sie für ihre künstlerische Arbeit entscheidende Schritte machte. Nach Ablauf der Akademiezeit in Amsterdam war es eine bewusste Entscheidung, nach Polen zurückzukehren und nicht in einem westeuropäischen Land zu leben. Jetzt wurde die Hauptstadt Warschau der neue Wohnort, dort wo sich seit Ende der 1980er Jahre eine aktive und lebendige, weit herum beachtete Kunstszene herausgebildet hatte. In Amsterdam hatte Sosnowska im Jahr 2000 ihre erste Ausstellung. Seither ist ihre Arbeit regelmässig in Gruppen- ebenso wie in Einzelausstellungen in Europa und Amerika präsent. Am meisten Aufsehen erregte Sosnowska bisher mit der Ausstellung, die sie im vergangenen Sommer an der Biennale von Venedig im Polnischen Pavillon installiert hatte. Ausstellungen sind in Sosnowskas Fall nicht nur Möglichkeiten, ihr noch junges Schaffen öffentlich zu zeigen, sondern sie bieten überhaupt sehr oft erst die Voraussetzung, ein Werk realisieren zu können. Die Werke von Monika Sosnowska sind fiktionale Raumgebilde, Form gewordene mentale Raumerkundungen. Fast immer im Massstab 1:1 konstruiert und oft begehbar. Wie bei ihren Künstlerkollegen, die in Polen nach 1989 zu arbeiten begonnen haben, ist das eigene Erbe und die Umbruchsituation der letzten Jahre eine prägende Vorgabe für Sosnowskas Schaffen. Am deutlichsten erlebbar und ablesbar ist für Sosnowska diese Situation in den polnischen Städten. Der rasende Wandel, in den diese geraten sind, und seine Folgen, die zahlreichen Auflösungserscheinungen ebenso wie die Spuren vergangener Utopien bilden die Grundlage, von der aus Sosnowska ihre subversiv-anarchischen „Raumbilder“ entwickelt.