Hans-Volkmar Findeisen, Joachim Kersten: Der Kick und die Ehre

57 Jugendkultur
<<Gewalt oder Würde>>
W+B Agentur-Presseaussendung Mai 2000
<<Hans-Volkmar Findeisen, Joachim Kersten: Der Kick und die Ehre>>
Vom Sinn jugendlicher Gewalt
Handbuch zur Gewalt-Debatte, Verlag Antje Kunstmann, München, 1999, 251S., DM 29,80; ÖS 218,-; SFr 29,80
www.kunstmann.de
Anhand von dokumentarischen Nahaufnahmen beschreiben die beiden Profi-Autoren, beide sind wissenschaftlich wie kriminalistisch ausgebildet, jugendliche Gewalt in gewissenhafter und differenzierter Weise Cliquen, Gangs und Peergroups. Dabei stellen sie fest, dass diese statt Protest und Anarchie sehr wohl ihre Werte und Normen aufweisen. In ihren Reportagen aus den Townships Südafrikas, den Ghettos von Chicago, aus Japan, Neuseeland und Australien schildern sie die verschiedenartigen Gewaltformen, die unsere vertraute Vorstellung von Schuld, Sühne, Strafe und Ausgrenzung weitgehend überschreiten.
Zu allererst räumen Findeisen und Kersten mit der magisch wirkenden Statitistik auf, die jeweils und weltweit eine erhöhte Wahrnehmung in der Öffentlichkeit überzeichnet darstellt.
Ausserdem wird zudem auch zwischen der realen Sicherheit und dem Sicherheitsgefühl der Bürger seitens der Fachexperten neuerdings unterschieden.
Dennoch wird das Wegsperren weiterhin allerorts gehandhabt, was dazu führt: "Wer einmal drin ist, kommt nicht wieder raus". Auch das gilt noch immer weltweit. Weg sperren heisst zugleich den Weg versperren, lebenslang.
Daher kommen die beiden Autoren, zusammen mit den in ihrem Dank zum Ausdruck kommenden Mitautoren aus den verschieden Ländern, zu folgendem Perspektivenwechsel:
Das Rechts- und Strafempfinden, besonders in Europa, orientiert sich in Kategorien von gut und böse, das nur ein Zentrum und einen Rand kennt. Krimimalität oder Gewalt hat aber ihren Sitz mitten in der Gesellschaft. Das bedeutet, Täter, Opfer und die Gesellschaft sind in Wirklichkeit diskursiv wie reflexiv, beziehen sich aufeinander, bilden eine Identität. Schön und hässlich bedingen einander.
"Denn wer jugendliche Gewalttäter vorsätzlich stigmatisiert, nimmt ihnen den letzten Rest an Würde" meint dazu der israelisch-palästinensische Filosof Avishai Margalit. Dieser Weisheit und Erfahrung vom Selbstwert gewaltbereiter und –tätiger Menschen ist nichts hinzuzufügen.
Ein wichtiges Handbuch zur Debatte Gewalt.