Hagen Bonifer: Abschied. Im Gegenlicht . Vom Ende einer Ära

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H.Bonifer: Abschied . Im Gegenlicht
-c-steidl14-10 Abschied-im-Gegenlicht

Online-Publikation: Oktober 2014 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Hagen Bonifer:  Abschied. Im Gegenlicht . Vom Ende einer Ära . Herausgegeben von der  Hans Böckler Stiftung>>
156 Seiten, Hardcover; ISBN 139783869308401; 35.00 EUR
Steidl Verlag Göttingen; http://www.steidl.de;

Fazit, vorangestellt
- 'Aber ein Sturm weht vom Paradiese her'. Schön wär's:
Im bibliophil-schwarz-durchwirkten Künstlerbuch  "Abschied. Im Gegenlicht"  des Malers Hagen Bonifer ist dieser Abschied von entsetzt-entsetzlicher Melancholie begleitet. Das ohnmächtige Verschwinden ist angesagt, von fremdbestimmter Arbeit . Ein Anti-Soz-Realismus entsteht da vor dem Betracht/ende/n. Das Erschüttenste dabei ist das Ausweglose, ohne Ende...? Oder -
Blenden wir zurück in die Mitte des vorigen Jahrhunderts, da haben die Gewerkschaften von Deutschland und Österreich das 'arbeitende Volk' zur schöpferischen Freizeit animiert, gegen die Entfremdung und ausserhalb der Arbeit - sei sie nun selbst oder durch Entlassung bestimmt 
-  "Schöpferische Freizeit''. Künstlerisches Schaffen des arbeitenden Volkes', hiess, damals (nachkriegsdeutsch durchwirkt) das Katalogbuch, um die Arbeiter zu motivieren sich lebensbegleitend kreativ weiterzubilden. Das ist auch ein Aufruf für hier und besonders heute.
In diesem Zyklus in 24 Gemälden als ästhetische Konstruktion, erscheinen Texte von Peter Weiss, Jürgen Peters, Jürgen Eichenauer und Oskar Negt, dem wir hier zum achtzigten Geburtstag das Allerbeste wünschen und im besonders für seine die Menschen motivierend-kritischen Worte, hier mit seinem Beitrag ' Arbeit und menschliche Würde (1)' höchsten Dank sagen. m+w.p14-10
(1) Um "alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedreigte, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist (S.Landshut >K.Marx - Die Frühschriften).

Inhalt
Hagen Bonifers Gemäldezyklus aus 34 Bildern zeigt Relikte unserer Industriegesellschaft: Schutzbrillen, Arbeitskittel, Werkzeuge, Menschen in Fabrikhallen. Seine in Öl auf Putzgrund gemalten Arbeiten sind im besten Sinne Historiengemälde, denn sie halten fest, was es zumindest hierzulande so nicht mehr gibt – Europa ist mit dem Industriesterben die manuelle Arbeit ausgegangen. Wir sehen eine Fabrik kurz vor der Schließung. Resignierte, traurige Gesichter bei einer Betriebsversammlung: Keine Zukunft mehr für die abgebildeten Menschen und Dinge. Keine Zukunft mehr für die Ideale der Arbeiterbewegung?
Wie unter einer dicken Firnisschicht liegt patiniert und versiegelt alles da. Begleitet werden die monochromen Bilder von Zitaten aus Peter Weiss’ epochalem Roman Die Ästhetik des Widerstands, der den antifaschistischen Widerstandskämpfern aus der Arbeiterbewegung ein Denkmal setzt. Eine Schlüsselrolle misst Weiss dabei der Kultur zu, aus ihr lässt sich die Kraft für den erfolgreichen Widerstand gegen Barbarei und Unterdrückung schöpfen.
Dieser Bildband ist ein Buch des Abschieds: von den Eltern des Künstlers, die in Porträts festgehalten sind, vom industriellen Zeitalter. Viele Träume sind ausgeträumt, die großen Utopien haben ausgedient. Doch die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft ist geblieben und Widerstand vielleicht nötiger denn je. Und so ist Abschied. Im Gegenlicht vielleicht auch das Buch eines Anfangs, denn nach neuen Wegen und neuen Antworten zu suchen, dazu fordert es nachdrücklich auf.

Autor
Hagen Bonifer, geboren 1957, wurde durch seine textgebundenen Installationen, den Gemäldezyklus Vom Nutzen zu zweifeln: 2. Juni 1967 und die Inschrift auf dem Eisernen Steg in Frankfurt am Main, „Auf weinfarbenem Meer segelnd zu anderssprachigen Menschen“, bekannt. Seine Werke befinden sich im sakralen und öffentlichen Raum. Er arbeitet im Bereich der konzeptionellen und interdisziplinären Kunst- und Kulturvermittlung. Bonifer ist als Bühnenbildner im In- und Ausland tätig. Er lebt in Mühlheim am Main.

Die Hans-Böckler-Stiftung
...ist das Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des DGB. Sie ist in allen ihren Aufgabenfeldern der Mitbestimmung als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet. Sie wirbt für diese Idee, unterstützt Mandatsträger in Mitbestimmungsfunktionen und tritt für erweiterte Mitbestimmungsrechte ein.http://www.boeckler.de/30.htm