Louise Bourgeois: I Have Been to Hell and Back

Galerie Über-/Zeitgefährten   Art Brut
L. Bourgeois :... to Hell & Back
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Online-Publikation: Dezemberber 2015 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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Hrsg. Iris Müller-Westermann, Moderna Museet, Stockholm, Vorwort von Daniel Birnbaum, Ann-Sofi Noring, Texte von Iris Müller-Westermann, Lea Vuong, Interview mit der Künstlerin von Christiane Meyer-Toss, Gestaltung von Patric Leo
Buchkatalog: 288 Seiten, Klappebroschur; mit Fadenbindung; 278 Abb., 21,90 x 28,20 cm; ISBN 978-3-7757-3970-2; Englisch € 39,80
Ausstellung: Moderna Museet, Stockholm, 14.2.–17.5.2015; http://www.modernamuseet.se/stockholm/en/; https://de.wikipedia.org/wiki/Moderna_Museet
Hatje Cantz Verlag, 73760 Ostfildern - Berlin; http://www.hatjecantz.de

Charakteristika
 »Unerschrocken, psychologisch, feministisch – das gewichtige Werk von Louise Bourgeois

Inhalt
Wer einmal unter einer ihrer Mamans, mütterlichen Schutz symbolisierenden Spinnenskulpturen stand, versteht die Einzigartigkeit des künstlerischen Ansatzes von Louise Bourgeois. Ihr bahnbrechendes Werk ist stilistisch komplex, und sie nutzt die verschiedensten Materialien – Zeichnungen, Radierungen, Installationen, Stoffarbeiten, Skulpturen aus Holz, Marmor, Bronze, Latex, Gips, Hanf –, um universelle Fragen zu bearbeiten. Der Band I Have Been to Hell and Back bietet einen Überblick über die gesamte künstlerische Entwicklung von Louise Bourgeois (1911–2010) und präsentiert eine Vielzahl von Arbeiten, darunter Werke, die noch nie zuvor publiziert wurden. Der Band gliedert sich in das Œuvre kennzeichnende Themenbereiche, darunter Erinnerung, Trauma, Beziehung, Sexualität, Angst sowie die Schwierigkeit, gleichzeitig Künstlerin und Mutter zu sein. Zudem dokumentieren private Fotografien Bourgeois’ Kindheit und Familienleben, einige Briefe und Dokumente werden erstmals zugänglich gemacht.

Die Protagonistin
https://de.wikipedia.org/wiki/Louise_Bourgeois

Fazit
Die Mixed Media Kunstschaffende Louise Bourgeois betitelt ihr aktuell erschienenes 'fadengebundenes' Katalogbuch "I Have Been to Hell and Back". Diese einmalige und unverkennbar entstandene Werk, kreirt in schillernd-ambivalenter Weise eine Formen-Farb-Raumwelt in Grafik, Malerei und  Skulptur, die sich in fast unmerklicher Weise der Art Brut (1), sogar der Wiener Aktion (2) sich nähert und doch einen klaren Blick-Zaun erstellt, der sich bruchartig von diesen zugleich nachbarlich trennt.
Dazu noch - jenseits und weitab der aktuell-globalen kunsttherapeutischen und esoterisch-ästhetischen Pseudokunst-Topoi ( und ihrer vergeblicher Mühen sich oft als Kunstschaffende zu zeigen, statt ihr Therapieschaffen als solches für ihre Genesung oder Linderung zu begreifen.
Denn die Kunst Louise Bourgeois bearbeitet die Topoi 'Erinnerung, Trauma und Angst, Beziehungsnot und Sexualität als ein über sich im Selbst hinaus weisendes Kulturvermögen Dieses vermag das in sich Erlebte, Schöne, Böse, Verletzende wie Verletzte, ja Unheilbare in ein augenscheinlich-approxomatives, gesetzmässig strukturiertes Kunstschaffen zu verwandeln. Auf diese Weise allein ist  Bourgeois zurückgekehrt, der inneren wie äusseren Hölle entkommen, um ihr Werk vor unseren Augen nächstliebend auszubreiten (3), über die Broschur-Klappen hinaus die Welt synästhetisch und ‚bindungsfädig’ zu betrachten. m+w.p15-12

'fadengebundenes' /
meint ein bewusstvlangzeitwirkendes Betrachten-Können dieser Klappenbroschur, die es wohl verdient, es synästhetisch zu 'begreifen'
‚bindungsfädig’
meint, entgegen unserer aktuell-marketing und -digital gesteuerten Bindungsarmut, dank 'Bindungfäden' (ausserdigitale Netzwerke) eine syästhetische Lebensgestaltung , vor allem unverfügbar anzugehen.

(1) Art Brut
ist weder eine Kunstrichtung noch eine Stilbezeichnung sondern beschreibt eine Kunst jenseits etablierter Kunstformen und –strömungen. Im angloamerikanischen Sprachraum ist dafür der Begriff Outsider Art ("Außenseiter-Kunst") gebräuchlich.
Der Begriff "Art Brut" ist eine Wortkreation des Malers Jean Dubuffet (1901-1985). Im Jahr 1945 skizzierte Dubuffet in einem Brief an Charles Ladame seine Gedanken zur Art Brut: "Zeichnungen, Gemälde, Kunstwerke aller Art, die von Unbekannten, von Besessenen geschaffen wurden, die durch spontane Impulse entstanden, die von Phantasie und Tollheit beseelt sind und sich nicht in den alten Gleisen der katalogisierten Kunst bewegen." Im Laufe der folgenden Jahre entwickelte Jean Dubuffet seine theoretische Grundlage: Er bezeichnete ein Werk als Art Brut-Kunst, wenn sein Schöpfer als Autodidakt ohne akademisch-künstlerische Schulung jenseits bestehender Kunstströmungen und Künstlergruppen nicht für ein Publikum, sondern in erster Linie für sich selbst arbeitete. Zu dieser Künstlergruppe zählten demzufolge Außenseiter wie psychisch Kranke und Strafgefangene.
http://www.artbrut-sammlung.de/
art brut und gugging
Die Kunst der Gugginger Gruppe wird der Art Brut zugerechnet. Jean Dubuffet, der französische Maler, der den Begriff Art Brut prägte, bezeichnete damit eine „edle, herbe, ursprüngliche Kunst”, die von einer höchst persönlichen und unangepassten Formensprache zeugt. Frei von den Trends der gängigen Kunst entsteht Art Brut ohne akademischen oder kunsttheoretischen Hintergrund. Seit den 70er Jahren gehören die Künstler aus Gugging zu den weltweit wesentlichen Exponenten der Art Brut. Jean Dubuffet hat sie als Vertreter dieser Kunstrichtung persönlich anerkannt.
http://www.gugging.at/de/mission-statement

(2) Erweiternde Quellen:
Wiener_Aktionismus (Auszug)
Hatten sich die Wiener Aktionisten zunächst der sogenannten Aktionsmalerei verschrieben, bei der Leinwände mit Farbe überschüttet oder in anderer Art und Weise traktiert wurden, so wandte man sich in der Folgezeit der am Happening orientierten Aktionskunst zu. Die Aktionen selbst folgten einer Choreographie, die in sogenannten "Aktionspartituren" festgeschrieben wurde...
Kennzeichen ist, bei dem die Grenzen zwischen Realität und Fiktion der Darstellung verschwimmen. Otto Muehl überschüttete in den "Materialaktionen" bevorzugt Frauenkörper mit Farbe und anderen Materialien, wobei die Themen Zeugung und Sexualität eine wesentliche Rolle spielten. Günter Brus und Rudolf Schwarzkogler widmeten sich einem breiten Spektrum, das von Selbstbemalungen bis hin zu vermeintlichen oder schließlich tatsächlich ausgeführten Selbstverletzungen reichte. Hermann Nitschs Erfindung ist das als Gesamtkunstwerk aufgefasste "Orgien-Mysterien-Theater", dessen drastische, bisweilen als blasphemisch eingestufte Rituale und Materialien, unter anderem Blut, Tierkadaver, Fäkalien und Eingeweide, gleichermaßen dem Aggressionsabbau, der Sinnenfreude und der kathartischen Reinigung dienen sollen ...
http://www.kettererkunst.de/lexikon/wiener-aktionismus.php
https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Aktionismus

(3) Ausstellung Haus der Kunst/louise-bourgeois-cells/
http://www.hausderkunst.de/
Louise Bourgeois. Strukturen des Daseins: Die Zellen 
AUSSTELLUNG 27.02 – 02.08.15
In über 70 Jahren künstlerischem Schaffen hat Louise Bourgeois (1911, Paris – 2010, New York) ein einzigartiges Œuvre in einer großen Vielfalt von Form, Material und Größe geschaffen. In den 1940er-Jahren war sie die Erste, die ihre Umgebung in aktuelle Arbeiten einbezog; in den 1970er- und 1980er-Jahren ließ sie ihre Skulpturen in einen Dialog mit Theater und Performance treten. Louise Bourgeois' Werk trug dazu bei, dass Feminismus und Psychoanalyse in den kritischen Diskurs einbezogen wurden – Theorien, die bis heute im Vokabular der zeitgenössischen Kunst von zentraler Bedeutung sind.
Zu den innovativsten und anspruchsvollsten skulpturalen Arbeiten innerhalb ihres umfangreichen Œuvres gehören die "Cells" [Zellen], eine Serie von architektonischen Räumen und Situationen, die ihre Aufmerksamkeit fast zwanzig Jahre fesselte. Die "Zellen" wirken als hoch emotionale Mikrokosmen: Jede ist ein facettenreiches und dichtes Arrangement in einem Gehäuse, das als spannungsreiche Barriere zwischen Bourgeois' Innenwelt und der Außenwelt des Ausstellungsraums steht. In sorgfältig inszenierten, fast theatralen Szenen erzeugen gefundene Gegenstände, Kleidungsstücke oder Stoffe, Mobiliar und markante Skulpturen der Künstlerin eine intensive Atmosphäre. In Bourgeois' eigenen Worten: "Die 'Zellen' repräsentieren verschiedene Arten von Schmerz: physischen, emotionalen, psychologischen, geistigen und intellektuellen Schmerz ... Jede 'Zelle' befasst sich mit dem Genuss des Voyeurs, mit dem Reiz des Sehens und Gesehenwerdens. Die 'Zellen' ziehen sich entweder an oder stoßen einander ab. Es gibt diesen Drang, sich zu verbinden, zu verschmelzen oder zu zerfallen." (Louise Bourgeois, 1991)
Die Ausstellung im Haus der Kunst vereint die größte Anzahl von "Zellen", die je zusammen gezeigt worden sind. Damit widmet sie sich einem Schlüsselaspekt in Bourgeois' Schaffen und untersucht die begrifflichen, architektonischen und psychologischen Akzente, die die Künstlerin mit den "Zellen" gesetzt hat.
Im Anschluss an die Ausstellung im Haus der Kunst wird "Louise Bourgeois. Strukturen des Daseins: Die Zellen" im Garage Museum of Contemporary Art in Moskau gezeigt (25.09.15 – 07.02.16) sowie im Guggenheim Museum Bilbao (18.03 – 04.09.16) und Louisiana Museum of Modern Art, Humlebaek (13.10.16 – 26.02.17).
Mit besonderem Dank an den Louise Bourgeois Trust und The Easton Foundation.
Wesentlich gefördert durch Art Mentor Foundation Lucerne und großzügig unterstützt durch Roland Berger Strategy Consultants. Zusätzlich unterstützt durch Cheim & Read, Hauser & Wirth und Kukje Gallery.
http://www.hausderkunst.de/ausstellungen/detail/louise-bourgeois-cells/
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