Valentina Torrado : Die Präsenz des Abjekten in der zeitgenössischen Kunstproduktion

Diskurs PA4
V. Torrado: Präsenz des Abjekten
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Online-Publikation: März 2015  im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Valentina Torrado : Die Präsenz des Abjekten in der zeitgenössischen Kunstproduktion  >>
140 Seiten, gebunden , mit Schutzumschlag; ISBN 978-3-95832-042-0; 29,90 EUR
Dieser Titel ist auch im Verlag Humanities Online als E-Book erhältlich: http://www.humanities-online.de
Velbrück Wissenschaft, D-53919 Weilerswist-Metternich; http://www.velbrueck-wissenschaft.de

Inhalt
Die Autorin analysiert in diesem Buch die Funktionalität des Abjekten, seine Präsenz und Signifikanz in der Produktion zeitgenössischer Kunst und die entsprechende Rolle des Künstlers unter den verschiedenen sozio-historischen Begebenheiten. Abjekte Themen in der Kunstproduktion der postindustriellen Ländern sind besonders präsent ist. Die wichtigsten Orte der Kunst sind Räume der Legitimation dieser Art von Produktion, dabei wird das Potential der Provokation hinterfragt.
Welche Rolle spielt das Abjekte in der zeitgenössischen Kunst und wie erklärt sich die entsprechende soziale Position des Künstlers? Durch das Spiel mit Grenzüberschreitungen in der Darstellung des Verbotenen und Ekelerregenden wurde das Abjekte in der Avantgarde auch auf sozialer Ebene zur produktiven Kraft - als Mittel des gesellschaftlichen Protests und der sozialen Kritik.
Die hypermoderne Gesellschaft hingegen lässt im Rahmen der Produktion zu, dass das Abjekte aus einer anderen Perspektive funktional und produktiv wird - es ist Teil der Logik des kapitalistischen Systems. Das Abjekte als Ausdrucksmittel wird zum Konsumprodukt. Der zeitgenössische Künstler präsentiert sich als Produkt dieser Gesellschaft als Glamourkünstler: individualistisch, eigensinnig, hedonistisch und hyper-bewusst. Durch die Arbeit mit dem Abjekten in der Kunst lässt sich nicht nur ein signifikanter Wandel der Rolle des Künstlers in der Gesellschaft beobachten, sondern auch eine "Verohnmächtigung" des Provokationspotentials in der Kunst.

INHALTSVERZEICHNIS
7 Vorwort
10 Einleitung
ERSTER TEIL
SUCHE NACH EINER DEFINITION DES ABJEKTEN
15 Das Abjekte
21 Manifestation des Abjekten
29 Das Abjekte im künstlerischen Bereich
ZWEITER TEIL
INSZENIERUNG DES SKANDALS
33 Die künstlerische Avantgarde als Ventil
39 Radikaler Exhibitionismus: Wiener Aktionismus
43 Die Autoperforations -- -Artistik
DRITTER TEIL
DER EIGENSINNIGE KÜNSTLER
53 Hin zu einer individualistischen Perspektive -- -
vom romantischen zum modernen Ich
56 Das Zeitalter des Eigensinns
60 Der Glamourkünstler
VIERTER TEIL
STRATEGIEN DES ZYNIKERS
67 Verführung statt Skandal
72 Und das Fleisch ist zur Ware geworden: Orlan
80 Parodieren des Ekels: Paul McCarthy
85 Tabelle IV -Paul
McCarthy/Orlan
FÜNFTER TEIL
PROJEKT SCHLAFBOX
87 Projekt Schlafbox: Rekontextualisierung des Abjekten
92 Ergebnisse aus den Gesprächen mit Betroffenen
96 Die Schlafbox
100 Entwicklungsprozess des Projekts Schlafbox
103 Abbildungen Projekt Schlafbox
110 Schlussfolgerung
ANHANG
119 Fünf Fragen an Via Lewandowsky
122 Nachwort
135 Literaturverzeichnis
138 Abbildungsnachweis

Autorin
Valentina Torrado, geboren 1981 in Montevideo (Uruguay), promovierte 2014 im Fachbereich Kunst und Design der Bauhaus-Universität Weimar. Zuvor studierte sie Kommunikationswissenschaften an der Universidad Católica del Uruguay.

Fazit
Dass Kunst und Design mit Kommunikation eng verknüpft sind, weiss Valentina Torrado sehr wohl und hat sich in ihrem Diskursbuch " Die Präsenz des Abjekten (1) in der zeitgenössischen Kunstproduktion" vorgenommen. In fünf Etappen definiert sie das 'Hässliche' im aktuellen Kunstbereich und betrachtet die Avantgarde als Ventil gegen eine zum Teil tradiert-erstickte Kulturgesellschaft am Beispiel der Wiener Aktionisten und anderer Happening-Exhibitionisten. Gleichwohl bemerkt sie zu Recht die anderen abjektiven Strömungen (2) im Romantisch-Surrealen und der  'Glamourkunst', wobei das Schöne wie das Abstruse im Kunstmarkt zum Marketing verkommt.
Grossartig und durchschauend sind die taxonomischen Tabellen zum Themenfeld Abjekten: Manifestation, Visualisierung der Werte, mehrdeutige und neben-deutige Werte (3), Multimedia- & Transzendierende Inszenierungen (Paul Mc Carthy/Orlan (4), Zurückdeutende Visualisierung (Rekontextualisierung der Obdachlosigkeit) mit der Zusammenfassung der egozentrierten, abjektiv-paranoid angelegten Kunstströmungen des vergangenen halben Jahrhunderts.
In geradezu tragisch-erschreckender Weise verwickelt sich die Autorin selbst mit ihrem öffentlichen Design-Anliegen Obdachlosen eine 'Schlafbox' im urbanen Raum anzubieten in eine sozialästhetisch verbrämte Zulieferin in Richtung die gegebene  Exklusion / Verschwinden der Exkludierten/ Ausgelieferten durch einen Design-Eimer zu verhüllen, die Armut also zum öffentlichen Verschwinden  und zugleich paradox sie zur Schaustellung zu bringen. Und so bezieht die Designerin nicht die gegenwärtige rechtsradikale Soziopathie in ihr Kalkül, dass das ein Ausliefern im doppelten Sinn für die Betroffenen darstellen wird, Gewalt ist vermehrt durch die Positionierung solcher Verhüll-, gleich Müll-Container vorprogrammiert und mündet in eine asozial-mediale Utopie mit Fratzencharakter. Diesen Obdachlosen ist nur durch individuelle soziale Zuwendung / Integration in Schlafstellen oder betreuten Wohnungen die Würde  in sanften Stufen zu geben (soweit sie als Subjekt es vermögen / wollen)  und sie nicht wie durch ein Schein-Design marketingspezifisch doppelt auszusetzen und auszubeuten, ja auszuschlachten.
Zur Erweiterung des Diskurses im Horizontal-Urbanen wird noch der 'Torre David' als verbal-urbane Ausgrenzung zitiert  http://www.kultur-punkt.ch/torre-david.html

m+w.p15-3

(1)
Abjekt umfasst das Eigenschaftsfeld wie Verachtung verdienend , verachtenswert, verachtenswürdig, verächtlich ... Obdachlosigkeit
(2)
Wir am Kultur-Punkt betrachten Abjekte im dionysisches Feld angesiedelt, das sich ambivalent zum Schönen wie Hässlichen betrachten lässt...
     http://www.kultur-punkt.ch/unsere-philosophie.html
(3)
-denotativ
(von lateinisch „denotare“ bezeichnen) ist ein mehrdeutiger Ausdruck der Semantik.
     http://de.wikipedia.org/wiki/Denotation
-konnotativ
In der Logik bezeichnet er den Begriffsinhalt, in der Sprachwissenschaft die Nebenbedeutung.
http://de.wikipedia.org/wiki/Konnotation
      http://www.kultur-punkt.ch/unsere-philosophie.html
(4)
Paul McCarthy
Multimedia - Inszenierungen
(* 4. August 1945 in Salt Lake City, Utah) ist ein US-amerikanischer Performancekünstler, der zurzeit in Los Angeles lebt und arbeitet
http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_McCarthy
Orlan
Transzendierende Inszenierungen
http://www.orlan.eu/