Roberto Simanowki : Facebook Gesellschaft & SRF1 Sternstunde - Diskurs

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Facebook - Gesellschaft (R. Simanowki)
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Online-Publikation: Februar 2017  im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Roberto Simanowki : Facebook Gesellschaft  & SRF1 Sternstunde - Diskurs >>
238 Seiten, Hardcover (bedruckter Schutzumschlag); ISBN: 978-3-95757-057-4; 20,00 €
Mathes & Seitz Berlin; http://www.matthes-seitz-berlin.de/

Charakteristika
> Computer & Technik
> Kooperation mit 'srf 1 sternstunde philosophie'
> Zu  den A-soziale Medien - Wirkweisen (Statements)
   srf 1-sternstunde philosophie & kultur-punkt, m+w.p
> Der Autor & weitere Stimmen zum Buch

Inhalt
Zehn Jahre nach seiner Gründung im Jahr 2004 ist Facebook das größte soziale Netwerk der Welt und einer der mächtigsten Global Player des Internet. Der Reiz dieses Netzwerks liegt auf der Hand: die geballte Kommunikation mit vielen, die Lust der Selbstdarstellung, die Zeugenschaft im Leben der anderen, die reichlichen, pflegeleichten Bekanntschaften, das Wiedersehen alter Freunde etc.. Auch die Negativseite ist hinlänglich bekannt: die Kapitalisierung des Privaten, Überwachung, Selbstdarstellungszwang, Zeitverschwendung. Es gibt etablierte Neologismen und umfangreiche Studien zu Facebook. Zugleich gibt es viele Klischees und Leerstellen in der Reflexion, was Facebook ist und wie es die Gesellschaft verändert.

Über den Autor
Roberto Simanowski studierte Literatur- und Geschichtswissenschaft an der Friedrich- Schiller-Universität Jena, promovierte zur Massenkultur um 1800 und habilitierte sich zur Ästhetik digitaler Medien. Seine Forschungsgebiete sind Postmodernismus, Multikulturalismus, Ästhetik und digitale Medien. Simanowski ist Professor für Digital Media Studies und Digital Humanities an der City University Hong Kong. Er ist Gründer und Herausgeber des Journals für Kunst und Kultur digitaler Medien dichtung-digital.

Der Autor über sein Buch
Das vorliegende Buch untersucht das Phänomen Facebook aus geschichtsphilosophischer, kulturwissenschaftlicher und gedächtnistheoretischer Perspektive. Es vertritt vier Thesen: Hinter dem Narzissmus rastloser Facebook-Nutzer steckt die Angst vor sich selbst; man will das Eigene beim andern loswerden, um nicht selbst damit umgehen zu müssen. Der expandierte Small Talk auf Facebook rettet das Projekt der Post-Moderne vor der Rückkehr der Legitimationserzählungen. Facebook stattet jeden Nutzer mit einer dokumentarischen, mehr oder weniger automatisierten Autobiographie aus, deren primäre Autoren und Leser die Algorithmen am back end des Interface sind. Die Hyper-Attention und Zerstreuung auf Facebook und im Internet insgesamt führt perspektivisch zum Ende des kollektiven Gedächtnisses und scheint so den Boden zu bereiten für Kommunikation jenseits der Kultur.
Was ist die Facebook-Gesellschaft?
Eine Gesellschaft, deren Kommunikationsformen und Kulturtechniken maßgeblich durch die Praktiken der Selbstdarstellung und Weltwahrnehmung auf Facebook bestimmt sind. Die Facebook-Gesellschaft ist eine Ungedulds- und Immersionsgesellschaft mit den Merkmalen: Hyperattention, Multitasking, Transparenz, Big Data, Interaktion, Ranking, Update, Selfie, Like, Jetzt.
Wer gehört zur Facebook-Gesellschaft?
Im Grunde alle. Man braucht keinen Facebook-Account, so wie man ja auch ohne Auto die Auswirkungen der Auto-Gesellschaft spürt. Die Nachrichtenmedien beispielsweise kämpfen auch dann um die Likes eines immer ungeduldigeren Publikums, wenn ihre Beiträge nicht als „Instant Article“ im „News Feed“ von Facebook erscheinen.
Hätte das Buch einen Untertitel, wie wäre der?
Das Verschwinden der Gegenwart und der Verlust reflexiver Welt- und Selbstwahrnehmung.
Wieso verschwinden, wenn die Gegenwart permanent fotografiert und beschrieben wird?
 Sie wird eben nicht reflexiv beschrieben, sondern nur reflexhaft festgehalten. Meine These lautet, dass die ständige Mit-Teilung des erlebten Augenblicks davon abhält, diesen wirklich zu erfahren. Die (Over-)Sharing-Kultur ist eine hyperaktive Flucht vor einer Welt, die uns zugleich zu leer und zuviel ist. Es ist eine Kamera-Kultur (und zwar auch wenn man schreibt) im Sinne Kafkas: „man fotografiert Dinge, um sie aus dem Sinn zu verscheuchen“. Wir entfliehen dem Hier und Jetzt in die Parallelwelt des sozialen Netzwerkes.
Gibt es auch etwas Gutes zu berichten?
Ja, aber nur im Gewand des Negativen beziehungsweise der Negation. Der Wechsel vom narrativen Identitätstyp zum episodischen befreit auch von den Verzerrungen und Zwängen, die das Modell der Narration und des kollektiven Gedächtnisses mit sich bringt. Ebenso ermöglicht die Oberflächenkommunikation in sozialen Netzwerken eine kosmopolitische Gemeinschaft jenseits politischer und kultureller Differenzen.
So wird aus der Not eine Tugend?
Nicht ganz. Der Haken ist, dass unbewusste Toleranz und faktischer Kosmopolitismus nur so lange funktionieren, wie die Umstände stabil bleiben, und zwar stabil unpolitisch. Wird die Partystimmung durch neue (religiöse, ideologische, rassistische) Verführer gestört, bricht alles in die alten Gegensätze zusammen.
Sie beschreiben das Buch als großzügig und narrativ.
Es ist großzügig, weil es nicht Gedankenreste zu hohen Preisen verkauft, sondern eine Menge an Überlegungen im Raum stehen lässt für die weitere Verwendung durch die Leser. Es ist narrativ, weil es trotz aller Exkurse eine narrative Ordnung erzeugt, deren zentrales Thema wiederum das Narrative selbst ist.
Auf welches Publikum zielt das Buch?
Es ist für alle (Facebooker oder nicht), die sich dafür interessieren, wie soziale Netzwerke unsere Gesellschaft verändern und was Goethe, Kafka oder Kracauer dazu gesagt hätten. Es ist für alle, die Hyprerreading auch dann mögen, wenn es keine Hyperlinks gibt. Es nicht für jene, die sich nur für Facebook interessieren.

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Fazit
Roberto Simanowki hat in seiner hervorragend recherchierten Untersuchung zur "Facebook Gesellschaft" gleich eingangs zurecht von "Fremden Freunden (Selbstdarstellung, Anteil & Beitrag leisten sowie von Erfahrungsschwund & Erlebnistaumel)".gesprochen.
Das Facebook-Plus:
Geballte Kommunikation, Zeugenschaft im Leben der anderen, Wiedersehen alter Freunde
Das Facebook-Minus:
Kapitalisierung des Privaten, Überwachung, Narzissmus-Förderung, Fakts to Fakes News, Minimierte Reflexion und Zeitverschwendung...
Im weiteren bemerkt er wie das Autobiografische in Bild und Erzählung die Identität 'mechanisch' automatisiert wird - bis hin zum posthum-digitalen Weiterleben.
Zitat: 'Im Grunde ist Facebook mit seiner zustimmenden Like/able-/ BeLiebigkeits - Kultur eine grosse Party..!'
Dagegen hält Simanowki, dass 'die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft durch Reflexion und Kognition  gesichert sind.'
Dazu  führt er die kritsche Debattenführung im Topos 'Beziehungsästhetik‘ an, die in der Facebook-Vorkultur (Prankl,, PA4*) aktuelll grosso modo fehlt. Es ist sein und unser Kredo  diese demokratisch-ästhetische, originäre Beziehungskultur mit Subjekten paradigmatisch-digital wie pragmatisch zu realisieren, um die bestehenden Scheinsubjekte und ihre Agenten zu minimieren (Foucault, Prankl) m+w.p17-1

*)http://www.kultur-punkt.ch/


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srf 1-sternstunde philosophie17-1facebook-gesellschaft
http://www.bing.com/search?q=srf+1+sternstunde+philosophie&qs=HS&pq=srf&sc=8-3&cvid=2A7E230507C94671A550C2681E5637FE&FORM=QBRE&sp=1

Sternstunde Geprächsauszüge:
Grundsätzliches zu A-sozialen Medien
>Gumbrecht :
  Präsenzkultur  Weltumarmunmg (Romantik)  Floating statt Verständnis :ist problematisch 
  https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Ulrich_Gumbrecht
>Agamben:
  Was bedeutet es die Welt sie verstehen? Zumindest  mit der Maschine zurechtkommen
  https://de.wikipedia.org/wiki/Giorgio_Agamben
>Kracauer:
  Metaphysich gesehen, ist das Subjekt obdachlos. Für das Dach sorgen digital Lustpiele...
  https://de.wikipedia.org/wiki/Siegfried_Kracauer
> Merkmale der A-soziale Medien  als Flüchtige Moderne
  sind eine Flucht  (beschreiben was passiert bewusst werden) schrift oder bild - ,mechanisch - Sprachlich.umsetzen ist der   Fluchtstop .  Wir sehen mehr, wenn wir kein Bild machen >Anti-Erkenntnismittel / Bild 
>Facebook Community
>Grundlose Gesellschaft,  die nichts teilt - Scheinsein  mit Banalitäten, Geschwätz . sind inklusive Dauerquasseln -  Filterblase    Algorythmen
>Fack News are graycy
>politisch: 19 % links 38% rechts
>Pilger wird Tourist
>Verbundloses Vorübergehen mit dem Smartphon, Fotostrecken 'Teilen' statt innerer narrativer Ordnung Auswahl Bild & Text
>Ständig aufnehmend und leicht gebückt zum Handy, im Stehen & Weitergehen, auch beim Fahrzeigfahen,....
>Der Teilnehmer ist or Ort abgekoppelt - Warten auf gepostet Freunde, Likes (soldarisches mit dem Leiden ? Gruppen kuscheln? )
> Zustand: Gegenwart flüchtend,  Ohnmacht vor der Welt,  Banalisierung breitet sich aus

Quintessenz:
 Subjekte haben dagegen den Auftrag sich - digital wie vor Ort -  vom Scheinsubjekt-Zustand Distanz zu gewinnen - sich gewissermassen zu befreien zu können?! m+w.p17-2
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Zur Sternstunde Philosophie
SRF-Gesprächsreihe
Die «Sternstunde Philosophie» pflegt den vertieften und kritischen Ideenaustausch und geht den brennenden Fragen unserer Zeit auf den Grund.
Die Sternstunde Philosophie schlägt den grossen Bogen von der gesellschaftspolitischen Aktualität zu den Grundfragen der Philosophie: Wer ist wofür verantwortlich, worin besteht die menschliche Freiheit, was bestimmt unseren Lebenssinn? Zu Gast sind Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft – Stimmen, die zum Denken anregen und unser Zeitgeschehen reflektieren und einordnen
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Weitere Stimmen
»Simanowski analysiert die Facebookgesellschaft sehr sophisticated.«
- Katharina Schmitz, der Freitag
»Simankoswki ruft im Plauderton zum Denken auf und macht im selben Zug vor, wie’s geht. Zwischen Medium und distanzierter Position, zwischen den verhärteten Fronten. (...) ›Facebook-Gesellschaft‹ tritt einen Schritt aus dem Diskurschaos heraus und damit in die richtige Richtung: Wenn es für uns keinen Weg mehr zurückgibt, müssen wir anfangen, uns selbst zu überdenken. Als Gesellschaft, als Community, als Netzwerk. Simanowskis kurze Geschichte vom Ende der Erzählungen bietet eine Chance, aus der »kontinuierlichen Gegenwart« heraus das Kommende zu denken.«
- Kristoffer Cornils, Fixpoetry
»Der Reiz des Buches besteht darin, dass Simanowski Denker und Theoretiker der vergangenen Jahrhunderte und noch lebende zu Rate zieht, die sich ja quasi schon immer Gedanken darüber gemacht haben, wie Technik unser Leben verändert … Ein kluges Buch ist so entstanden. Lesevergnügen pur. Denn Robert Simanowski beweist sich auch als feiner Beobachter des digitalen Alltags.«
- Vera Linß, Deutschlandradio Kultur
»Von Bildungsdünkel, Werteverfall und einem Früher-war-alles-besser will Simanowski so gar nichts wissen. … Er verhält sich – und das unterscheidet ihn von den meisten anderen Netzkritikern – wie ein guter Therapeut, der die Wünsche, Bedürfnisse und Leiden seiner Patienten zunächst wertungsfrei anerkennt.«
- Anja Kümmel, ZEIT online
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