Ein Raum an sich stiftet noch keine Identität . Erst wenn er ein Ort guter Erlebnisse wird...

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Klybeck- Stadtsoziologie
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mailto:Marc.Keller@bs.ch;

E-News_05-2017_Stadtsoziologie, 23.05.2017, Seite 1/4
E-News 05.2017 – Interview mit Joëlle Zimmerli über Stadtsoziologie in klybeckplus

«Ein Raum an sich stiftet noch keine Identität.

Erst wenn er ein Ort guter Erlebnisse wird, wird eridentitätsstiftend.»
Was ist Stadtsoziologie und was macht sie?
Die Gesellschaft stellt Bedürfnisse an den städtischen Raum. Sie erwartet beispielsweise ein
bestimmtes Wohnungsangebot oder öffentliche Räume, in denen sich die Bewohnerinnen und
Bewohner der Stadt aufhalten können. Die Stadtsoziologie stellt die Schnittstelle zur Planung
her: Sie zeigt auf, wie solche Bedürfnisse mit dem Städtebau und der Infrastrukturplanung
ermöglicht werden können.
Vor dem Start der Testplanung klybeckplus fand eine Beteiligungsveranstaltung statt. Die
Ergebnisse wurden in die Diskussion der Projekte bei der Testplanung eingebracht. Und seit
kurzem wird aus dem Quartier selbst aktive Stadtsoziologie betrieben. Eine Gruppe initiativer
Vertreter der Bevölkerung hat einen Prozess gestartet, Quartierbewohnende und Fachexperten
eingeladen und eine Diskussion um Visionen und erwünschte Nutzungen im neuen Quartier
ausgelöst.
Was kann optimiert werden, wenn die Stadtsoziologie in die Planung einbezogen ist?
Die Stadtsoziologie setzt sich mit Fragen zu Angebot und Nachfrage betreffend Nutzungen
auseinander und bringt Erkenntnisse daraus in den Planungsprozess ein. Dies führt in der
Regel zu einer Planung, die sich an gewünschten und auch realisierbaren Nutzungen orientiert.
Die Stadtsoziologie geht zudem von einer dynamischen Stadtentwicklung aus. Rahmenbedingungen
können sich sehr schnell verändern. Ein Anspruch der Stadtsoziologie ist deshalb
eine prozessorientierte Planung. So soll nicht heute eine kleine Gruppe von Planungsbüros den
aus ihrer Sicht richtigen Städtebau in starre Planungsinstrumente giessen. Vielmehr soll der
Spielraum offengehalten werden, sodass sich der Städtebau den gesellschaftlichen Bedürfnissen,
die in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren entstehen, auch anpassen kann. Planungsinstrumente
sollen deshalb aufzeigen, wo Spielräume für sich verändernde Nutzungsbedürfnisse
eingerechnet werden können. Es kann auch festgehalten werden, dass künftige Nutzer
oder quartiergewerbliche Anbieter in die Projektentwicklung eingebunden werden sollen oder
dass bestehende Nutzungen in die Transformation eines Areals einbezogen werden.
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Bei Arealentwicklungen wird jeweils ein lebendiges, durchmischtes Stadtquartier
gewünscht. Was verstehen Sie darunter?
Was lebendig und durchmischt ist, muss für jeden Standort aufs Neue definiert werden. Im
innerstädtischen und hafennahen Quartier Klybeck bedeutet lebendig, dass mehr öffentlich
zugängliche Freizeiträume am Rhein und in den heute geschlossenen und unzugänglichen
Arealen entstehen. Und dass Räume bereitgestellt werden, die sich für laute Nutzungen, also
für Veranstaltungen mit Musik oder Freizeit- und Sportevents eignen. Mit den städtebaulichen
Leitlinien, die nun entwickelt werden, können solche Räume strategisch eingeplant werden,
ohne dass es deswegen später zu Lärmkonflikten kommt.
Durchmischt heisst für mich nicht nur, dass Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Erholung nebeneinander
Platz haben. Es heisst auch, dass Wohnraum in unterschiedlichen Preissegmenten
angeboten wird, dass kleine Läden im neuen Quartier Erdgeschossflächen finden, die sie mit
ihrem Umsatz finanzieren können und dass die verkehrliche Situation so geplant wird, dass
Zulieferung problemlos möglich ist und temporäre Parkierungsmöglichkeiten für Kunden
vorhanden sind. Es ist eine Tatsache, dass Quartierläden dort funktionieren, wo der öffentliche
und private Verkehr durch das Quartier gehen. Städtische Durchmischung bedeutet, dass
Angenehmes und weniger Angenehmes nebeneinander Platz haben.
Der Begriff «Dichtestress» geistert auch in Basel durch die Köpfe und durch viele
Diskussionen – wie sehen Sie dies in Bezug auf Kleinbasel und das Klybeck?
Dichtestress ist ein Begriff aus der Tierwelt, der für die Stadtentwicklung nicht angemessen ist.
Er hat vor allem mit negativen Bildern zu tun, die aus Unsicherheit und aus Angst vor
Veränderung projiziert werden. Im Kleinbasel und Klybeck gehören dazu die Hochhausbilder,
die im Zusammenhang mit der Testplanung zur Rheininsel entstanden sind. Diese haben aber
nichts mit der Realität und dem heutigen Planungsstand zu tun. Man darf nicht vergessen:
Kleinbasel und das Klybeck haben eine hohe Dichte. Und diese schafft die Voraussetzung für
das urbane Leben, das hier so geschätzt wird.
Wie würden Sie im neuen Quartier mit der Forderung nach günstigem Wohnraum
umgehen?
Es gibt verschiedene Ansätze, diese Forderung zu erfüllen. Grundsätzlich führt ein grosses
verfügbares Wohnungsangebot dazu, dass Preise nicht explodieren. Wenn also im
Klybeckquartier, das zum Wohnen immer beliebter wird, viel gebaut wird, entlastet dies den
Wohnungsmarkt. Dann gibt es die Möglichkeit, gemeinnützige und institutionelle Investoren
zum Zuge kommen zu lassen, die im preisgünstigen Wohnungssegment bauen. Und schliesslich
liegt ein grosser Hebel darin, wenn günstiger Wohnraum im Quartier sanft erneuert wird,
sodass das Angebot möglichst lange bestehen bleibt. In der Praxis gibt es noch keine bewährE-
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ten Instrumente, wie die öffentliche Hand Privateigentümern Anreize geben kann, solche
sanften Erneuerungen zu machen. Jetzt wäre eine Gelegenheit, dieses Thema aufzunehmen.
Sehen Sie aus Ihrer fachlichen Sicht für das Klybeckareal besondere Potentiale und
Herausforderungen? Was sind Ihres Erachtens die Erfolgsfaktoren dieser Planung?
Eine grosse Chance liegt darin, dass Kleinbasel mit der Öffnung von klybeckplus zusammenwachsen
kann. Die abgehängten Quartiere Klybeck-Kleinhüningen rücken näher an die Stadt
heran. Ein weiteres Potenzial liegt in den Qualitäten, die geweckt werden können: Basel rückt
näher ans Wasser, es entstehen Naherholungsmöglichkeiten in den nahe gelegenen Parks, am
Rhein und der Wiese sowie den neuen Freiräumen, die mit der Öffnung der Areale entstehen.
Die Herausforderung besteht darin, Heterogenität bei der Entwicklung zuzulassen. Unterstützt
wird diese durch eine Vielfalt an Investoren und Entwicklern – institutionelle, gemeinnützige,
private – die unterschiedliche Ideen für unterschiedliche Zielgruppen verfolgen. Es ist aber
nicht selbstverständlich, dass eine solche Mischung von Investoren zum Zuge kommt.
Wie schafft man es, zunächst die grossen Linien abzustecken und nicht zu früh an allzu
konkrete Nutzungen und zukünftige Alltagssituationen im Klybeckareal zu denken?
In langen Planungshorizonten zu denken und zu verhandeln, erfordert eine Vertrauensbasis
der an der Planung Involvierten. Ein erster Schritt ist eine Einigung auf gemeinsame Ziele auf
einer übergeordneten Ebene, so wie dies mit der Planungsvereinbarung gemacht wurde. Diese
Ziele können anschliessend schrittweise heruntergebrochen werden. Die Diskussion um die
grossen Linien kann durchaus an konkreten Nutzungen geführt werden, auch mit der Quartierbevölkerung.
Die Rolle der Planer und öffentlichen Hand ist es, für den Planungsprozess
Rückschlüsse aus dieser Diskussion zu ziehen.
Wie entsteht die Identität eines städtischen Raums bzw. die Identifikation mit dem Raum?
Wann hat das neue Quartier eine Chance, sich als liebens- und lebenswerter Stadtteil zu
etablieren?
Die Identität des städtischen Raums entsteht im Zusammenspiel von Nutzungsmöglichkeiten
und verfügbaren Räumen. Ein Raum an sich stiftet noch keine Identität. Erst wenn er eine
Funktion erhält, eine Adresse oder ein Ort guter Erlebnisse wird, wird er identitätsstiftend.
Deshalb ist es so wichtig, dass Räume niederschwellig zugänglich werden. Das Gleiche gilt für
leerstehende Räume, die für Freizeit- oder Kulturaktivitäten geöffnet werden, oder auch für
Brachen, auf denen neuer Wohnraum entsteht. Ein lebenswerter Stadtteil lebt von den Nischen
und Räumen, die wenig kontrolliert von den Menschen genutzt werden können. Dazu braucht
es das Vertrauen und vor allem die Bereitschaft seitens der Eigentümer und der öffentlichen
Hand, solche Räume bereitzustellen und zu einem gewissen Mass sich selbst zu überlassen.
E-News_05-2017_Stadtsoziologie, 23.05.2017, Seite 4/4
Joëlle Zimmerli
ist promovierte Soziologin und Planerin FSU. Sie ist mit ihrem Büro
Zimraum in der Areal-, Stadt- und Regionalentwicklung tätig. In der
Testplanung klybeckplus bringt sie die gesellschaftliche Perspektive ein.
Zurzeit arbeitet sie im Kanton Basel-Stadt an Aufträgen zur Arealentwicklung
Erlenmatt Ost, zur nachhaltigen Entwicklung im 3Land
sowie zur Programmation des Hafenareals Klybeck-Kleinhüningen.

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Vom Industrieareal zum Stadtquartier: Der Charakter des südlichen Klybeck
wird sich in Zukunft verändern. Entstehen soll ein lebendiger, durchmischter
Stadtteil. BASF, Novartis und der Kanton Basel-Stadt laden zur zweiten
Beteiligungsveranstaltung ein, an der Sie die Varianten aus der Testplanung
kommentieren können:
Samstag, 17. Juni 2017, 10.00 – 15.30 Uhr
Personalrestaurant Novartis, Mauerstrasse 1
Bis 16. Juni läuft im Projekt klybeckplus die städtebauliche Testplanung,
in die auch die Ergebnisse der ersten Beteiligung vom September 2016
eingeflossen sind. Nur einen Tag später ist Ihre Meinung gefragt: Schalten Sie
sich ein, informieren Sie sich, geben Sie Impulse! Die Resultate aus der
Beteiligung werden in die anschliessende Syntheseplanung mitgenommen.
Veranstaltungsprogramm
ab 09.30 Uhr Eintreffen, Öffnung Infostand und Empfang
10.00 Uhr Begrüssung, Einführung, Gastbeitrag Zukunft.Klybeck
10.30 Uhr Präsentation Ergebnisse Testplanung
11.10 Uhr Workshop (Runde 1)
12.15 Uhr Mittagspause mit kleinem Imbiss
13.00 Uhr Workshop (Runde 2 bis 5)
15.00 Uhr Präsentationen aus den Gruppengesprächen,
Ausblick und Abschluss
Melden Sie sich bitte bis 11. Juni über www.klybeckplus.ch/veranstaltungen an.
Eine Teilnahme ist ab 16 Jahren möglich. Die Planungspartner dokumentieren
den Anlass und werden einige Bilder zu Informationszwecken veröffentlichen.
Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte ist das Fotografieren auch für
die Teilnehmenden möglich. Auf der Webseite finden Sie weitere Informationen
zur Arealentwicklung klybeckplus.
MITDENKEN, MITREDEN –
Einladung zur zweiten
Beteiligungsveranstaltung
WWW.KLYBECKPLUS.CH
BILD: PRESSEFOTO NOVARTIS
PLANUNGSPARTNER KANTON BASEL-STADT / BASF / NOVARTIS

Die Planungspartner
Kanton Basel-Stadt, BASF, Novartis
Basel, 23. Mai 2017
Bau- und Verkehrsdepartement Kanton Basel-Stadt
Anlaufstelle «klybeckplus»
Münsterplatz 11, 4001 Basel
Tel. 061 267 91 52,
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