Holger Reiners: Bauen mit Holz

107<<Architektur der Kälte>>
W+B Agentur-Presseaussendung vom April 2001
<<Holger Reiners: Bauen mit Holz - Die besten Einfamilienhäuser>>
Deutschland, Österreich und der Schweiz

Callwey Verlag
, München; 192 S. Text, 283 farbige und 42 sw-Abbildungen sowie 166 Pläne im Masstab und 5 Strichzeichnungen; gebunden, 23x30 cm, mit Schutzumschlag; DEM 138.- / ATS 998.- / SFR 123.-
Holger Reiner, Autor, freiberuflicher Planer und Stifter des Architekturpreises für Einfamilienhäuser, "Bauen mit Holz" hat hier die aus der Sicht der Jury die besten Ergebnisse von 2000-2001 anschaulich und übersichtlich zum zweiten Mal dokumentiert.
Die Auslobung zielt auf Umwelt und Umfeldfreundlichkeit, hervorragende Ästhetik und damit das Thema Kunst in die Nähe zu rücken.
Bedenken wir, dass von 250.000 Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern nur 10% von Architekten geplant werden und hier 33 Objekte musterhaft gezeigt werden was in den Promille-Bereich (0.13%) weisst, dann ist das tatsächlich ein geistiger Schweisstropfen auf den Stein, Beton, Stahl und Glas, deren Materialen hinter dem Schwerpunkt Holz hier gleichfalls stark hervortreten.
Jedes Haus ist mit detailgenauen Fotos, Planzeichnungen im Masstab, Kommentaren und Baudaten, die den Quadratmeterpreis beinhalten, aussagekräftig dargestellt. Welche Tendenzen zeigen sich:
Aussen hui
Einfach, mit und ohne Satteldach, Flache und hohe, sympathische Holzkistenkörper zeigen sich uns von aussen. Sie sind volumenbetont, der rechte Winkel hat auf allen Linien gesiegt. Licht und Proportion sind in allen Seiten einander freundlich gesinnt.
Teilweise bis oft gibt es einen Rückfall in den Funktionalismus der 50iger Jahre mit Ortsbeton, Stahlkon-struktion und viel Glas. Corbu und Mies van der Rohe lassen grüssen. Teilweise dringt die Konzeption des Bürohaustyps und sogar der Fabrik in den Wohnentwurf kältesteigernd und deprivatisierend hervor. Gerade das also was wir im beruflichen und öffentlichen Alltag immer mehr erleben und was uns auf Dauer krank macht. Ein einziges Projekt zeigt das Innenhofhaus mit Teich (Peristyl, Atrium, Patio..). Das ist der einzige Prototyp, der Zukunft hat, um der Globalisierung, steigernden Entfremdung durch die Berufswelt und deren psychische Kälte zu entgegnen (Andrea Bassi, Genf). Körperferne ist das Mass aller dieser Aussenhäute der Objekte. Erst in der nächsten Nähe, wenn Holz mit im Spiel ist und das ist nicht immer der Fall, können wir taktil und olfaktorisch Körpernähe erleben.
Innen - no"feng shui" no "art"
Kommen wir in das Innere der Objekt, so wird diese allumfassende Kälte und Funktionalisierung zum Dogma der Planungen. Es muss ja nicht gleich etwas esoterisch angehauchtes feng shui sein, das unserem, durch den äusseren Alltag aus dem Gleichgewicht geratenen, Inneren eine gleichgewichtige Wärme, Behaustheit, ja Geborgen-heit vermitteln muss.
Nichts von dem begegnen wir, wenn wir durch die Häuser dieser gepreisten und ausgezeichneten Architekten mit aufmerksamen Augen durchwandern.
Das Fatalste: Statt dem Wellness treffen wir im WC- und Badbereich, und nicht nur dort, oft auf klaustrofobische Räume, die sich letzten Endes nur zum Notdurft verrichten eignen. "Hol' Dir das draus-sen" ächzt es aus den verwinkelten und verschämt angeordneten WCs und mikrigen Badewannen-Positionierungen und Grössen für Singles only. Die Familie wird spätestens hier räumlich verplant. Desgleichen haben wir es mit Kälte verbreitenden Küchenensembles zu tun, in denen die Möglichkeit einer Tischkultur versagt bleibt.
Stellen wir uns vor, wir wollen in irgendeinem dieser Häuser dennoch übernachten, wachen nachts auf, gehen herum, ohne stören zu wollen, nutzen die Treppen, dann finden wir, fast nie einen hilfreichen Handlauf, meist Stahlblech unter den Füssen oder seitlich ein kaltes Glas oder Beton brut. Was ist das für ein Altwerden in diesen lieblosen und körperfernen Gehäusen? It's for Youngsters only.
Wir tun gut daran, die meisten dieser Objekte, möglichst bald zu verlassen, der Gesundheit zuliebe.
Soll das etwa der "hervorragenden Ästhetik dienen und damit das Thema Kunst in die Nähe rücken"?
Mitnichten. Denn das Ornament haben die Architekten bereits vor hundert Jahren zum Verbrechen erklärt (Loos) und sind mit an der steigernden Kälte in Material- und Serienfertigung, siehe Platten- und Kistenbauweise, wie hier, voll verantwortlich.
Das Gleiche gilt für die Kunst, vielmehr die stets begleitenden Künste (Malerei, Skulptur, Installation..) sind seit achtzig Jahren (Bauhaus, Kriegswirtschaft, Wiederaufbau..) in die Zuhälterei privater wie öffentlicher Galerien, Museen und Sammlungen verkommen. Wo sind sie also die vom Auslober anvisierten Künste, die hier anteilig an der gesellschaftlichen wie familiären Enfaltung teilhaben sollen? Wo sind die Nischen, Wände, Ecken so geplant, dass die Künste mit zur Familie gehören dürfen? Niemand hat sie dazu geladen, mitzuwirken, weder im oder am Bau. Die Präpotenz der Archi-tekten, bereits in der dritten Generation, bewirkt sogar, dass sie sich selbst als Skulpteur, Maler und Eventkünstler aufgemacht haben - Egomanie par exellence zu zellebrieren. Die Künste befinden sich seit langem - von den techno-fixierten Planern und Selbstdarstellern - ausgegrenzt, gleich den Familien, die sich gleichfalls im Laufe der Zeit aus diesen Objekten entfernen werden, jedenfalls statistisch gesehen - bis zu 40%. Die geplante, funktionalistische Kälte, die hier haust, trägt jedenfalls mit dazu bei, und die Mitverantwortung dafür, haftet am Planer. Daher ist dieses Architekturbuch ein Muss für den fälligen Diskurs um die Inhärenz der Künste.