Zurück zur Architektur - als puritane Droge

2 zum Thema Architektur
W+B Agentur-Presseaussendung vom August 1999

 Peter Zumthor: Architektur denken
Ein bedenkenswertes Sachbuch: Birkhäuser - Verlag für Architektur, Basel, Berlin, Boston; 64 S. 1999; DEM 34.- /sFr 28.- / öS 248.-   www.birkhauser.ch

Die Suche nach verlorenen Raumempfindungen der Kindheit, während der Ausbildung und der Arbeit als Architekt kennzeichen das Denken Zumthors zu allererst. Danach wendet er sich dem Stofflichen, der bildenden Kunst zu und lässt kurz eine grün-rote Arte-Povera-Ästhetik von Beuys, aufleuchten. In seiner Arbeit mit den Dingen beeindruckt ihn die musikalische Konstruktion Bachs, die aus vielen Einzelteilen ein sinnvolles Ganzes hörbar macht. Wenn er allerdings der Architektur einen eigenen Existenzbereich zuschreibt, gerät er in Widerspruch mit der anschliessenden Bemerkung, dass diese in besonders körperliche Verbindung mit dem Leben steht: Entwerfen / Verlangen nach Verwirklichung; Details / Ritzen; Sehnsucht nach Leere / Symbolferne; Annäherung / Landschafts - Vervollständigung; Wahrheit und Dichtung / Poesie; Entwerfen als Begierde / Architektur als Droge; Geometrie, praktisch - vernünftig in den Raum schreiben; dann dem Leben ausgesetzt - Melancholie und Widerstand kommen auf: für oder gegen was, frägt sich der Leser? Es ist der harte Kern der Schönheit, die Maschine ohne überflüssige Teile, die immer noch - ihn, W.C. Williams und Handke zu faszinieren drohen. Welche Schönheit könnte da gemeint sein? Nun wird es allmählich klar. Es ist immer noch der puritane Traum von der ornament- und kunstbefreiten Architektur eines Adolf Loos und die folgenschweren Alleingänge der Architekten des 20. Jahrhunderts, die bis zur paranoiden Monomanie alles, aber auch alles an Teilen selbstisch in die Hand nehmen und so sich ihr Mausoleum vor Ort und im Architekturlexikon zu ver-schaffen mögen. Keine Spur von Inhärenz der Architektur, als partnerschaftlich-demokratische und öko-ästhetische Werk-Zeug-Kiste aller Künste und Techniken, die als Fundgrube unserer Kultur Zeugnis und Lebenshilfe geben könnte. Wann endlich hört dieser egozentrierte Wahn auf, Wirklichkeit zu werden. Wann besinnen sich unsere Gestalter zur Kooperation mit anderen Künsten und Techniken in der Baugestaltung? Da nützt weder der Ruf nach mehr Seele, Gestimmtheit, noch mehr Kargheit, Nüchternheit, ja Präzision, vielleicht gerade noch sozialer Umgang und zu guter letzt kommt die sich erinnernde Verwirklichung als egomanischer Architektur-Entwurfsmechanismus zum Vorschein. Wenn es mit der Architektur in dieser Richtung weiter geht - dann - gute Nacht liebe Leser. Doch guten Tag liebe Gegen-Leser - es ist das Buch für den aktuellen Diskurs -vorwärts