Zentrum Paul Klee - Sommerakademie 2006

Sommerakademie 2006 im Zentrum Paul Klee, Bern: „Experiments in Pop. Aufbruch in eine neue Alltäglichkeit“
sommerakademie@zpk.org; www.sommerakademie.zpk.org

Im August startet die erste Sommerakademie im Zentrum Paul Klee! Diese internationale Plattform für junge Kunst wird von der BEKB | BCBE (Berner Kantonalbank) als Stifterin und dem Zentrum Paul Klee getragen. In der Erforschung bedeutsamer Gegenwartstendenzen und der Auseinandersetzung mit aktuellen Themen der Kunstdiskussion beschreitet sie neue Wege in den Bereichen Weiterbildung, Förderung und Vermittlung.

Zu diesem Zweck lädt die Sommerakademie jedes Jahr im August Künstlerinnen und Künstler, die nach einer Ausschreibung von einer Jury ausgesucht wurden, nach Bern ein, um gemeinsam mit renommierten Persönlichkeiten aus dem Kulturleben ein zehntägiges, themengebundenes Theorieseminar zu veranstalten. Die zusätzliche Vergabe von Stipendien zum Abschluss der Sommerakademie soll die künstlerische Produktion fördern.

Eine wesentliche Aufgabe sieht die Sommerakademie darin, das interessierte Publikum einzubeziehen und mit öffentlichen Angeboten über das jeweilige Jahresthema mit seinen Inhalten und Zielen zu informieren. Abendveranstaltungen finden in Form von Vorträgen der Dozenten, Podiumsdiskussionen und Vorführungen, die von teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern gestaltet werden, statt. Die begleitende Ausstellung präsentiert Werke der Akademieteilnehmer. Eine nachfolgende Publikation dokumentiert die Sommerakademie und ist auch Katalog zur Ausstellung.


Thema 2006
„Experiments in Pop. Aufbruch in eine neue Alltäglichkeit“
Die Sommerakademie 2006 untersucht unter dem Titel „Experiments in Pop. Aufbruch in eine neue Alltäglichkeit“ Einflüsse der Alltags- und Populärkultur auf das gegenwärtige Kunstschaffen und geht verschiedenen Ansätzen nach, die dem Verständnis zeitgenössischer Alltagskultur und Volkskunst zu Grunde liegen.

Heute sind zwei anerkannte Definitionen des Begriffs „Volkskunst“ gebräuchlich: Die erste und ältere, im späten 18. Jahrhundert geprägte, bezieht sich auf Objekte des alltäglichen Lebens, die in Handarbeit von unbekannten Künstlern und Handwerkern hergestellt oder verziert wurden wie etwa Trachten, Möbel, Schmuck oder Geschirr. Diese Auffassung verbindet Volkskunst in der Regel mit ländlichen oder landschaftlich eng umgrenzten Überlieferungen und Traditionen. Die zweite Erklärung ist im Zuge der industriellen Revolution aufgekommen und meint Produkte einer städtischen, auf breiten Konsum angelegten Massenkultur.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und vor allem jüngst wird im Bereich der zeitgenössischen Kunst der scheinbare Unterschied zwischen beiden Definitionen auf die Probe gestellt, ja sogar für nichtig erklärt. Dabei verbindet sich das fortdauernde Interesse zeitgenössischer Künstler an Sprache, Bildlichkeit und den Techniken einer Massenkultur wie Filme, Werbung und Industrieprodukte mit einer ausgeprägten Neugierde am Lokalen, Subkulturellen oder auch Hand- bzw. Selbstgemachten.

Welche Ursachen und Bedingungen führen zur Entstehung und Verbreitung dieser aktuellen künstlerischen Richtung, die nach der Verortung der Alltags- und Populärkultur fragt? Populär- und Trivialkultur sind Ausdrucksformen, die nicht nur von vielen im Alltag wahrgenommen oder konsumiert werden, sondern gleichzeitig auch von vielen hervorgebracht werden. Ohne Probleme können heute handwerkliche Heimarbeiten wie Stricken, Bilder von Märchen oder Zeichnungen von einer Motivwelt beeinflusst werden, die ursprünglich etwa aus dem Bereich der Tattoos stammt. Populärkultur ist zwar mit den verschiedenen Formen der Massenkultur verwandt, grenzt sich aber dennoch deutlich von Fernsehshows, Kinofilm oder Werbung ab.

Akademie
Mi 16. bis Fr 25. August 2006

Die Akademie erforscht die Umstände, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts alternative Definitionen für zugängliche Formen von Volkskunst geschaffen haben. Zu den Themenschwerpunkten, die im Rahmen eines geschlossenen Seminars zwischen den Dozenten und den Akademieteilnehmern diskutiert werden, gehören die Historiographie der Volkskultur und ihr Verhältnis zu hochgradig politisierten Vorstellungen von „ökologischer Gemeinschaft“ und „Kulturindustrie“, „kulturelle Unvereinbarkeit“ und das Verschwinden traditioneller Grenzen zwischen Avantgarde und Massenkultur, das nahezu tabuisierte Thema „Nationalkultur“ und schliesslich die Folgen des Einbruchs symbolischer und formaler Strategien des Alltäglichen in einem sich rasant globalisierenden kulturellen Aktionsfeld.


Ausstellung
„The New Vernacular. Contemporary art meets popular culture“
Mi 16. bis Mi 30. August 2006

Die Ausstellung „The New Vernacular – Contemporary art meets popular culture“ präsentiert der Öffentlichkeit Werke der Akademieteilnehmer – einer internationalen Gruppe aufstrebender Künstlerinnen und Künstler.

Die vorgestellten Positionen konzentrieren sich auf künstlerische Strategien, die unterschiedliche Elemente aus der lokalen oder der Subkultur aufgreifen, umdeuten oder zu etwas Neuem zusammenfügen. Dabei bedienen sie sich verschiedener Ausdrucksformen der Alltags- und Trivialkultur. Neben Videoclips, die gängige Motive der Populärkultur persiflieren, werden Arbeiten gezeigt, die die heutige Mythenwelt und Sammlungen lokaler Volksweisheiten erforschen. Als Inspirationsquellen dienen den Kunstschaffenden traditionelle Formen der Volkskunst wie Märchen, lokale Mythen, religiöse Traditionen, Magie, Karneval, Cabaret, aber auch neuere Formen wie Computerspiele, Musikvideos, Heavy Metal und Science Fiction/Fantasy.

Die ausgestellten Werke befassen sich mit der Neuinterpretation traditioneller Populärsymbolik oder auch Bastel- und Handwerksarbeit (Alex Müller, Thea Djordzjadze), alltäglich begegnender Medien wie Illustrationen (Keren Cytter, Nora Schultz und weiter gefasst Annelise Coste), Videospielen (Cory Arcangel) und Comics (Jen Liu). Andere Künstler wie Jaime Ortiz und Tellervo Kalleinen spielen mit den Klischees einer nationalen Kultur wie auch mit populistischen Erscheinungen. Künstler wie Aura Satz und Jen Liu untersuchen Strömungen in der Subkultur von paranormalen Experimenten bis hin zu Science Fictions. Nic Hess und Lang&Baumann benutzen das Vokabular einer kulturellen Massenproduktion für humorvolle und visuell ansprechende Effekte.

Laura Hoptman, die diese Ausstellung kuratiert, profilierte sich am Museum of Modern Art in New York durch “Drawing Now: Eight Propositions” (2002) und die “Carnegie International” (2005), die Biennale mit der grössten internationalen Beteiligung in den USA. Hoptman ist am Museum of Contemporary Art, New York als Kuratorin tätig.


Öffentlichen Abendveranstaltungen
Di 15. bis Fr 25. August 2006

Für ein interessiertes Publikum werden öffentliche Abendveranstaltungen angeboten, die von den Dozenten, Gastreferenten und den an der Sommerakademie teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern gestaltet werden: Die britische Literaturprofessorin und Kulturhistorikerin Marina Warner beschäftigt sich mit Mythologie und Volkstum. Sie ist preisgekrönte Autorin zahlreicher Klassiker wie „Fantastic Metamorphoses, Other Worlds“ (2004), “Managing Monsters: Six Myths of Our Time“ (1994) und „From Beast to the Blonde: On Fairy Tales and Their Tellers“ (1994). Diedrich Diederichsen, der wohl bekannteste deutsche Popkulturtheoretiker publizierte Bücher, Aufsätze und Kritiken über Musik, zeitgenössische Kunst und Phänomene der Subkultur, wovon „Musikzimmer – Avantgarde und Alltag“ (2005), „Sexbeat“ (1985/2002) und „Der lange Weg nach Mitte“ (1999) zu seinen wichtigsten gehören. Als Gastreferenten wurden massgebende Künstler eingeladen, deren Werk sich mit Aspekten der Populärkunst befasst: Thomas Hirschhorn, der polarisierende, einflussreiche Schweizer Installationskünstler, sowie Jeremy Deller, Gewinner des Turner Preises 2005, Mitinitiator des Folk Archive, Kurator und Produzent.