Elfriede Jelinek : Die Kontrakte des Kaufmanns

Online-Publikation Mai 2010 im Internet-Journal <<kultur-punkt>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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Elfriede Jelinek : Die Kontrakte des Kaufmanns. Rechnitz (Der Würgeengel). Über Tiere . Drei Theaterstücke >>
rororo Taschenbuch, 352 S., 978-3-499-24984-6; 12,00 €
Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek- Berlin; rororo -
www.rowohlt.de;


Inhalt
Der vorliegende Band versammelt die drei jüngsten Theaterstücke von Elfriede Jelinek. So radikal sie sich thematisch voneinander unterscheiden: gemeinsam ist ihnen, dass sie auf wahren Begebenheiten basieren. Doch wie stets bei Jelinek steht im Zentrum der Texte nicht das Ereignis selbst, sondern wie es sich im öffentlichen Sprechen und kollektiven Verschweigen niederschlägt.
In „Über Tiere“ wehrt sich eine heillos liebende Frau gegen ihr Verschwinden, bevor sie von Männerstimmen abgelöst wird, die lautstark die Käuflichkeit sexueller Dienstleistungen preisen.
In „Rechnitz (Der Würgeengel)“ feiert kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs eine elegante Gesellschaft ein Fest, in dessen Verlauf, aus einer Laune heraus, fast 200 jüdische Zwangsarbeiter erschossen werden - ein Verbrechen, das bis heute nicht aufgeklärt wurde.
„Die Kontrakte des Kaufmanns“ schließlich ist eine bitterböse Komödie über die Auswüchse des Kapitalismus, der in der Finanzkrise sein letztes Kapitel noch lange nicht erreicht hat.

Autorin
Geboren am 20.10.1946 in Mürzzuschlag (Steiermark), studierte in Wien Theaterwissenschaft, Geboren am 20.10.1946 in Mürzzuschlag (Steiermark), studierte in Wien Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Musik. Ausbildung zur Organistin, seit 1966 freie Autorin. Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1989 den Würdigungspreis der Stadt Wien für Literatur, 1998 den Georg-Büchner-Preis, 2002 den Theaterpreis Berlin und den Heinrich-Heine-Preis. Im Oktober 2004 folgte schließlich der Literatur-Nobelpreis.
Jelineks Texte zeigen manipulierte Existenzen in entindividualisierender Gesellschaft, bestimmt durch falsche Glücksvorstellungen. "Wir sind Lockvögel, Baby" zeigt das Nebeneinander von Sprach- und Bewusstseinsmustern in der Gesellschaft. Den geschlossenen Zusammenhang des traditionellen Romans parodierend, verwebt Jelinek in einer Pseudohandlung die sprachlich-ideologischen Muster eines Heimatromans mit Porno- , Comic- und Horrorelementen. In "Michael. Ein Jugendbuch für die Infantilgesellschaft" entlarvt sie Schablonen und Stereotypen von Medienhelden, indem sie im Stil scheinbarer Naivität diese der Wirklichkeit derer gegenüberstellt, die aus dem Fernsehen ihre Orientierung und Sehnsüchte beziehen. In "Die Liebhaberinnen" werden in schonungsloser Satire Lebensumstände und Bewusstsein zweier unterprivilegierter «Schicksalsträgerinnen» vorgeführt. "Totenauberg", ein Stück über die Philosophen Martin Heidegger und Hannah Arendt, in dem das «urdeutsche Wortgeklingel» Heideggerscher Dunkelheiten zur Kenntlichkeit entstellt wird. "Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr"' ist zugleich eine Absage an modische Naturmystik wie der Versuch einer Satire auf Erscheinungen des Kulturbetriebes. Mit der Erniedrigung der Frau beschäftigt sich der Roman "Lust". Am Beispiel trostloser Sexualität wird die ausbeutende Gewalt von Männern über Frauen geschildert. Ein von der Kritik zwiespältig aufgenommener Roman voller Sprachexperimente, der das große stilistische Können der Autorin dokumentiert.

Fazit
Schreibwut und inhaltliche Sprach-Gewalt beherrschen mit bitterstem abgründigen Blick die Szenerie der drei Theaterstücke von den Elfriede Jelinek : "Die Kontrakte des Kaufmanns. Rechnitz (Der Würgeengel). Über Tiere.". Dabei dient die sich wiederholende Übertreibung , die im noveau roman bei Robbe-Grillet und Bernhard bereits manifest auftaucht und sich zur expressiven Entsetzheit bei Jelinek steigert, einer Höllenfahrt bei
Hieronimus Bosch im Weltgerichtstriptychon, das nahe von Jelineks Lebensort in der Akademie der bildenden Künste querbezüglich zu betrachten ist. Grandios und abstossend gleichwohl genial. w.p.10-5