Arte Povera : Der grosse Aufbruch

Kunstereignisse
Arte Povera : Der grosse Aufbruch
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http://www.kultur-punkt.ch/ereignisse/hatjecantz-kmb12-10arte-povera.htm

Online-Publikation: Oktober 2012 im Internet-Journal <<kultur-punkt>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<<   Arte Povera : Der grosse Aufbruch . Hrsg. Bernhard Mendes Bürgi, Vorwort von Bernhard Mendes Bürgi, Interview mit Ingvild Goetz von Rainald Schumacher, Luca Cerizza, Christiane Meyer-Stoll, Angela Vettese, Gestaltung von sofie's Kommunikationsdesign >>
Ausstellung: Kunstmuseum Basel 9.9.2012–3.2.2013 ; www.kunstmuseumbasel.ch
Buch: 144 Seiten, 212 Abb., 19,70 x 26,60 cm, gebunden, Lederfaserstoff; ISBN 978-3-7757-3356-4; Deutsch; € 39,80
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern; http://www.hatjecantz.de; mailto:m.gatermann@hatjecantz.de;

Inhalt Buch
Schlüsselwerke seit 1959 und ihre Bedeutung für zeitgenössische Künstler im thematischen Überblick
In den 1960er-Jahren formierte sich in Italien eine neue künstlerische Bewegung, die als Arte Povera bekannt und von Künstlern wie Giovanni Anselmo, Alighiero Boetti, Jannis Kounellis, Mario Merz, Pino Pascali und Michelangelo Pistoletto vorangetrieben wurde. Ihr Einsatz ärmlicher Materialien, etwa Erde, Glas, Holz und Wachs, ist charakteristisch und bildet bis heute einen durchaus kritischen Kontrast zur zunehmend technologisierten Umwelt. In stilistischer Anarchie streben Bilder, Objekte, Rauminstallationen und Performances danach, zu natürlichen Prozessen und organischen Gesetzmäßigkeiten zurückzufinden. Die Sammlung Goetz besitzt eine der umfassendsten Kollektionen zur Arte Povera, die in der Publikation vorgestellt und auf ihre Aktualität für die jüngste Künstlergeneration hin überprüft wird. Fotografien und Zeitdokumente verdeutlichen den weit verzweigten Wirkungsbereich des bis heute bedeutsamen künstlerischen Aufbruchs. (Englische Ausgabe ISBN 978-3-7757-3357-1)

Inhalt Ausstellung
Arte Povera. Der grosse Aufbruch
Boetti, Kounellis, Merz, Pistoletto aus der Sammlung Goetz
Kurator: Bernhard Mendes Bürgi
Jannis Kounellis:
Senza titolo, 1959In den 60er Jahren formiert sich in Italien mit heute so berühmten Künstlern wie Alighiero Boetti, Jannis Kounellis, Mario Merz oder Michelangelo Pistoletto eine neue künstlerische Bewegung. Charakteristisch ist der Einsatz einfacher Mittel und ärmlicher Materialien wie Erde, Glas, Äste, Neonlicht oder Wachs. Er steht im durchaus kritischen Gegensatz  zur immer technologischer werdenden Umwelt und zu den Produktionsmechanismen der Massenkultur. In stilistischer Anarchie streben Bilder, Objekte, Rauminstallationen und Performances danach, zu natürlichen Prozessen und Gesetzmässigkeiten zurückzufinden. Das Povere, Poröse bis Fliessende der Gestaltungsmittel soll die Wahrnehmung öffnen für „das allen Dingen zugrundeliegende Strömen von Energien“ (Carolyn Christov-Bakargiev). So entstehen prozessorientierte Arbeiten im Spannungsfeld von Natur und Kultur, Anarchie und Ordnung. In diesen „visualisierten Wahrnehmungsprozessen“ wird gleichzeitig das grosse kulturelle Erbe – von Antike und Renaissance  –  auf sinnliche und poetische Weise befragt.
Luciano Fabro:
Italia d'oro, 1971Der Begriff „Arte Povera“ taucht im September 1967 erstmals auf als Titel einer in Genua stattfindenden Ausstellung mit Künstlern aus Rom, Turin und Mailand, so Boetti, Fabro, Kounellis, Pascali, Paolini und Prini, nicht aber Pistoletto und Merz. Wortschöpfer ist  der Kunstkritiker und Kurator der Genueser Ausstellung, Germano Celant. Diese künstlerische Bewegung jedoch als Künstlergruppe im engeren Sinne zu bezeichnen, kann aber schnell irreführend sein. Bei aller Vergleichbarkeit der künstlerischen Strategien und des gesellschaftspolitischen Engagements herrschte bei den einzelnen Künstlern eine Vielgestaltigkeit der formalen Mittel und eine ausgeprägte Individualität vor, die sich im Verlauf der 70er Jahre noch zuspitzte.
Die Sammlung Goetz
ist eine der umfassendsten Sammlungen dieser überaus innovativen und wirksamen Kunstbewegung. Die grosse Sonderausstellung im Kunstmuseum Basel ermöglicht es mit rund 100 Werken, die Aktualität der Arte Povera auch für die jüngste Künstlergeneration zu veranschaulichen. Zahlreiche Schlüsselwerke sind versammelt, die Ingvild Goetz über viele Jahre gesammelt hat und die seit langem nicht mehr öffentlich zu sehen waren. Ausserdem hat die Sammlung Goetz ein wichtiges Archiv mit Fotografien und Dokumenten angelegt. Sie werden in der Basler Ausstellung als Auftakt gezeigt, um die weitverzweigte Dimension dieses grossen künstlerischen Aufbruchs erfahrbar zu machen. So wird eine Übersichtsschau möglich, die in den späten 50er Jahren einsetzt und zu Beginn der frühen 90er Jahre endet, wobei das Schwergewicht auf der künstlerisch entscheidenden Frühphase der Arte Povera liegt.


Fazit
 "Der grosse Aufbruch", so der Titel  der Ausstellung "Arte Povera", entstanden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in Norditalien im besonderen, neben Vostell in Deutschland und Merz in der Schweiz, zeigt sich an der Bruchlinie zwischen der Nachkriegs-Wirklichkeit der 50er Jahre im Bereich von rasanter Wiederaufbau-Produktion, Reproduktion, Distribution und überbordenden Konsum (Luca Cerizza), erstens - ein in der sich verfaltenden Romantiszismen als ästhetischer Fluchtversuch, aus dem es laut Sartre, Beckett .. für den künstlerischen Impetus kein Entrinnnen gibt, ausser zweitens - eine bewusstwerdende Gegen-Darstellung, parallel zum Not-Wendigen, u.a. gewerkschaftlichen Konzept und Kampf dieser Periode, in Zielrichtung realisierbarer  Gerechtigkeitsnähe und ästhetischem Meta-Gleichgewicht durch Konfrontation mit Produktions - Material in entsprechenden Ensembles, Inszenierungen.
Diese Periode des Ungleichgewichts ist weiterhin hochaktuell und wird sich weiter in der Kunst auf- und umbrechend manifestieren. m+w.p12-10