Malewitsch und sein Suprematismus


In den Korridoren zur Vollkommenheit
Buch- und Ereignisbesprechung
Einführung: Dr. Tessen von Heyderbreck, Thomas Krens, James T. Demtrion
Autoren: Matthew Drutt, Jean Claude Marcade, Lina Gurianowa, Wassili Rakitin, Tatjana Michijenko
272 S.; mit 170 Abbildungen, davon 120 farbig; Leinen mit Schutzumschlag; EUR 58,50
Hatje Cantz Verlag
, München, 2003 / www.hatjecantz.de

Bild - Schwarzes Quadrat, 1915, Öl auf Leinwand
Bild - Malerischer Realismus einer Bäuerin in zwei Dimensionen, 1915, Öl auf Leinwand
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 "...warum kommt es so, dass wir einander nicht schreiben, vielleicht deshalb, weil wir immer an Vollkommenheit in uns arbeiten, oder richtiger, sie in der Feuchtigkeit unserer Hirne suchen, es gibt da viele Korridore und Lagerstätten, wo Universen und ihre Vollkommenheiten beheimatet sind, man muss sie nur suchen...",schreibt Malewitsch in seinen Brief an den Zeitgefährten Matjuschin 1920 aus Witebsk.
Schwarzes Quadrat, 1915, Öl auf Leinwand, 79,5 x 79,5 cm, heute im Besitz der Tretjakow-Galerie, Moskau, ist das Schlüsselbild Malewitsch’s auf seinem Weg zur anvisierten Vollkommentheit mithilfe des Suprematismus. Wir sehen da ein schwarzes Quadrat in weisser Umgebung, ein Fünftel-Rand. Der Zahn der Zeit hat im Schwarz gewütet. Es zeigen vernetzte Risse, gleich aufgerissenem Erdboden, bedingt durch lange Trockenheit. Die Natur schlägt der Kunst ein Schnippchen. Die dabei entstehende Chaosfiguration stellt einen sitzenden Kobold dar (a la Wotruba),der nach rechts blickt und so der Utopie die lange Nase zeigt: eine Art von Zwerg Nase.
Dieses paradigmatische Werk hat Malewitsch genial, wegbereitend für das 20. Jahrhundert selbst mit der puren suprematischen und damit elementaren und einfachsten Empfindung definiert: Farbe/Nichtfarbe 5:1, wobei die Zahl 5 auf den Menschen weist und seiner physischen Ausdehnung entspricht, vom Ich und der Welt optimal abstrahiert, kündend.
Mit dem Begriff Vollkommenheit gepaart mit Suche nach ihr, weist er zugleich auf die situativ bedingte Unvollkommenheit hin. Darüber hinaus verwendet Malewitsch neben dem Ich - Begriff den des Wir. Das weist in zwei Richtungen: auf das Diesseitige des Weges sowie das Jenseitige seiner Suche. Masse als Sichtbares (Schwarz, Rot...) Gesellschaft und Zeitgeschehen: Politik und das Unsichtbare (Weiss oder Zwischenraum zur jeweiligen geometrischen Formation): Geistige Manifestation, Philosophie, Religion als Ikon.
Klar ist damit, dass er nach der Oktoberrevolution und der Stalinisierung der Künste, hier als ein Quertreiber der parteiischen und rein diesseits gerichteten Utopie gesehen und (v)erkannt wurde. Majakowski und Jessenin haben das, sehr früh begriffen und den Suizid vorgezogen. Nicht so Malewitsch, Schostakowitsch ähnelnd, hat er sich auf den Wegrand der Zeit begeben, dort hat er sich immerhin überlebend noch 1934, als Stalin mit Gorki, diesen unheilvollen, erweiterten Angriff auf die Vollkommenheits - These von Malewitsch, den Soz-Realismus definiert und dies auch noch in den sowjetischen Satellitenstaaten bis in die 80-iger Jahre umgesetzt haben, konnte dieser in der Ausstellung: 15 Jahre Künstler... neben figurativen Bildern wie Mädchen mit roter Stange, Arbeiterin, einem Frauenporträt noch sein Schwarzes Quadrat zeigen, klarerweise ausser Katalog.
Auch seine hintergründige Parodie wird im Bild "Malerischer Realismus einer Bäuerin in zwei Dimensionen" deutlich: Es zeigt ein rotes Quadrat, nur 3 Grad nach rechts geneigt (Anspielung auf die politische Geradheit der Bäurin) in einem gelblichen, hoch-rechteckigem Weiss (Weizenfeld assoziierend) Das ehrt Malewitsch als einer dem Schreckensdiktat Entkommenen im ganz besonderen Masse als pragmatischen und überlebensstarken Menschen, neben seiner genialen Leistung seines Dynamischen Suprematismus