Therapie des Schlaganfalls – Intravenöse Thrombolyse bei unbekanntem Zeitfenster

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„Off-Label“ Therapie des Schlaganfalls – Intravenöse Thrombolyse bei unbekanntem Zeitfenster

WAKE-UP Studie soll Klarheit zur Patientenauswahl bringen
1.600 Experten diskutieren vom 16.–18. Februar 2017 in Wien aktuelle Erkenntnisse in der Neurologie, NeuroIntensivmedizin und Neurochirurgie bei der 34. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). Bei der sogenannten ANIM 2017, der Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin als einer der bedeutendsten neurologisch-neurochirurgischen Tagungen im deutschsprachigen Raum liegt ein wichtiger Schwerpunkt in der Diskussion neuer Therapieoptionen des Schlaganfalls.
Beim ischämischen Schlaganfall, der zweithäufigsten Todesursache und häufigsten Ursache für bleibende Behinderung im Erwachsenenalter in der westlichen Welt, steht mit der systemischen Thrombolyse eine effektive und sichere Akutbehandlung zur Verfügung, die allerdings an strenge Indikationskriterien gebunden ist. Diese Therapie mit der Verabreichung eines Gerinnsel-auflösenden Medikaments ist nur innerhalb der ersten 4,5 Stunden nach dem Schlaganfallereignis zugelassen. Bei jedem fünften Patienten ist der genaue Zeitpunkt des Schlaganfalls jedoch unbekannt, beispielsweise wenn die Symptome beim morgendlichen Erwachen aus dem Schlaf bemerkt werden. Allein aufgrund des fehlenden Wissens um das Zeitfenster ist eine große Gruppe von Patienten derzeit von einer Thrombolyse ausgeschlossen. Bei etwa jährlich 2 Millionen Schlaganfallpatienten in der Europäischen Union betrifft das rund 400.000 Patienten pro Jahr.
„In der täglichen Praxis der Schlaganfallbehandlung wenden Neurologen in ausgewählten Fällen die Thrombolyse unter sorgfältiger Abwägungen von Nutzen und Risiko auch jenseits der Zulassung, also „off-label“ an“, so PD Dr. med. Götz Thomalla, Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Für die Thrombolyse bei unbekanntem Zeitfenster kommt hier der erweiterten Bildgebung mittels CT oder MRT für die Patientenauswahl eine besondere Bedeutung zu. In den vergangenen Jahren konnte in wissenschaftlichen Arbeiten gezeigt werden, dass unter Verwendung multiparametrischer MRT – basierend auf dem Konzept des „FLAIR-DWI-Mismatch“ – das Alter einer ischämischen Läsion im Gehirn abgeschätzt werden kann.“ Mit diesem Konzept könne mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, ob ein Patient sich noch in einem Zeitfenster befindet, in dem eine Thrombolyse effektiv und sicher angewandt werden kann.
Inzwischen gibt es eine zunehmende Anzahl von Publikationen zu Thrombolyse-Ergebnissen bei Patienten mit unbekanntem Zeitfenster. „Hier wurden bisher keine Häufungen schwerwiegender Komplikationen berichtet, und es hat sich der Eindruck ergeben, dass bei sorgfältiger Auswahl der Patienten die Off-label-Thrombolyse bei unbekanntem Zeitfenster ähnliche Ergebnisse zeigen kann wie bei Anwendung innerhalb der Indikationsstellung“, betont PD Dr. Thomalla. Da sich dies aber letztlich nur durch eine randomisierte kontrollierte klinische Studie beweisen lässt, haben europäische Forscher unter Leitung des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf vor einigen Jahren die WAKE-UP Studie gestartet, welche genau diese Frage beantworten soll. Dazu der Coordinating Investigator PD Dr. Thomalla: „WAKE-UP soll den Nachweis erbringen, dass eine Thrombolyse bei Patienten mit unbekanntem Zeitfenster des Symptombeginns nach Auswahl mittels MRT effektiv und sicher ist.“ Die WAKE-UP Studie wird in rund 60 Zentren in acht europäischen Ländern durchgeführt, mehr als die Hälfte der geplanten 800 Patienten wurden bereits in die Studie randomisiert: „Bei dem erwarteten positiven Ergebnis ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse von WAKE-UP unverzüglich Eingang in nationale und internationale Leitlinienempfehlungen halten und unmittelbar die klinische Praxis verändern werden.“

Weitere aktuelle Tagungsthemen der ANIM 2017, die sich als Bindeglied zwischen Forschung und Praxis der neuromedizinischen Fachrichtungen etabliert hat, sind unter anderem Neuerungen im Bereich der interventionellen Schlaganfalltherapie und bei Hirnblutungen. Weitere Schwerpunkte sind die Diskussion der Hirntoddiagnostik unter den neuen Richtlinien sowie neue Erkenntnisse der Neuroinfektiologie und Neuroimmunologie. Spannende Themen sind auch die neuesten Erkenntnisse zur Interaktion von Gehirn und Immunsystem in der Akutphase des Schlaganfalls und für die Regeneration.
Das komplette Programm der ANIM 2017 steht auf der Tagungshomepage www.anim.de zur Verfügung.
Pressevertreter sind herzlich eingeladen, den Kongress zu besuchen, sich über die aktuellen Themen zu informieren und zu berichten.
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Meistens entstehen Schlaganfälle durch ein Blutgerinnsel, das eine Hirnarterie verstopft. Der Pfropf kann mit dem Enzym Alteplase (rtPA) aufgelöst werden, so dass die Durchblutung wieder funktioniert.
Mit der systemischen Thrombolyse können seit zwei Jahrzehnten viele Schlaganfallpatienten gerettet oder vor schweren Behinderungen bewahrt werden. Nach 20 Jahren Erfahrung kommt es oft zu einer Therapieentscheidung in Grenzfällen, so dass die Therapie  in deutschen Stroke Units auch bei Patienten eingesetzt wird, die ursprünglich nicht dafür vorgesehen waren. 1996 in den USA und darauf auch in Deutschland eingeführt, darf die systemischen Thrombolyse nur dann durchgeführt werden, wenn der Schlaganfall nicht die Folge einer Blutung im Gehirn ist. Als weitere Bedingung für eine erfolgreiche Behandlung muss sie möglichst schnell nach dem Schlaganfall erfolgen – nach der ersten großen Studie in einem engen Zeitfenster von nur drei Stunden, das nach weiteren Studien auf 4,5 Stunden ausgedehnt wurde. Als weitere Einschränkung wurden Patienten ausgeschlossen, die über 80 Jahre alt waren oder stark erhöhte Blutzucker- oder Blutdruckwerten haben. Jedoch dürfen die Ärzte sich über die Ausschlusskriterien hinwegsetzen und das Medikament auch „off-label“ anwenden, wobei es bei einem schweren Schlaganfall kaum möglich ist, das Einverständnis des Patienten zu bekommen. Aktuelle amerikanische Studien belegen die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie auch bei älteren Patienten, so dass es nach einer neuen Empfehlung keine Altersgrenze mehr für die Behandlung geben soll. Dabei liegt die Verantwortung immer bei den behandelnden Ärzten und hängt wesentlich von ihren Erfahrungen ab.

Titel der WAKE-UP Studie: Efficacy and safety of MRI-based thrombolysis in wake-up stroke: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial
Deutscher Titel: Effektivität und Sicherheit der MRT-basierten Thrombolyse bei Patienten, die mit Schlaganfallsymptomen erwachen: eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte klinische Studie (WAKE-UP)
 
 Die Deutsche Gesellschaft Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI):
 ist eine medizinische Fachgesellschaft, die sich für alle Belange der neurologischen und neurochirurgischen Intensivmedizin einsetzt. Mitglieder der Gesellschaft sind in erster Linie Neurologen und Neurochirurgen wie auch Pflegekräfte und Therapeuten, die in der Wissenschaft, Forschung und Gesundheitspolitik die Interessen der Intensivmedizin fördern. Die Gesellschaft setzt sich für den Erhalt und den Ausbau von spezialisierten neurologischen und neurochirurgischen Intensivstationen ein, damit den schwerstkranken neurologischen und neurochirurgischen Patienten eine fachgerechte Behandlung zuteil wird.
Herausgeber:
Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI), Carl-Pulfrich-Straße 1, 07745 Jena
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