Joseph Beuys. Parallelprozesse - Archäologie einer künstlerischen Praxis

Über/Zeitgefährten
 J. Beuys: Parallelprozesse
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Online-Publikation: März 2012 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<<  Joseph Beuys. Parallelprozesse - Archäologie einer künstlerischen Praxis . Hrsg. Ulrich Müller . Texte von H. Bredekamp, C. Demele, H. Dickel, B. Dodenhoff, A. von Graevenitz, B. Gronau, W. Hogrebe, M. Holzhey, U. Jensen, M. Kliege, D. Luckow, I. Malz, U. Müller, A. Quast, J. Stüttgen, F.-J. Verspohl, K. C. Voigt >>
Ausstellung:11. September 2010 – 16. Januar 2011; Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, D-40213 Düsseldorf; www.kunstsammlung.de;
Katalogbuch: 287 Seiten, 198 Abbildungen in Farbe und Schwarz-Weiß; 22,7 x 28,9 cm, gebunden. ; ISBN: 978-3-7774-6011-6 ; 49,90 € [D] | Ca. 66,90 SFR [CH]
Hirmer Verlag, München; http://www.hirmerverlag.de

Zum Katalogbuch  und Seminar "Parallelprozesse"
Joseph Beuys (1921–1986) gilt international als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Der vorliegende Band nähert sich dem Künstler aus unterschiedlichen Blickwinkeln und bringt dabei neue und überraschende Ergebnisse zutage.
Joseph Beuys. Parallelprozesse fasst die Ergebnisse des Symposiums zusammen, das im Januar 2011 begleitend zur gleichnamigen Ausstellung in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen stattfand.
Ausgewiesene Beuys-Forscher, Kunsthistoriker, Philosophen, Theaterwissenschaftler und Museumsfachleute loten die Aktualität des Künstlers aus. Dabei spielt der gedankliche Überbau des Künstlers eine ebenso eminente Rolle wie die Entstehung seiner Plastischen Theorie. Einzelne Aktionen, skulpturale Werke, plastische Bilder und Zeichnungen werden in exemplarischen Analysen erschlossen.
Die wiederholt reklamierte Parallele von Natur- und Gesellschaftsprozessen, die Beuys im erweiterten Kunstbegriff der Sozialen Plastik aufgehoben wissen wollte, markiert den universellen Rang, den er der Kunst zudachte. Nur durch Kunst und aus Kunst, so Beuys, lassen sich alle natürlichen und sozialen Angelegenheiten neu denken und gestalten. Der Begriff des Parallelprozesses wird auch in einer Weise verstanden, dass er Parallelphänomene mit anderen Künstlern beschreibt, die ideengeschichtlich Joseph Beuys nahestehen oder durch die Wahl der künstlerischen Materialien an ihn knüpfen.
Mit der untrennbaren Einheit von künstlerischem Denken und Handeln ist Joseph Beuys (1921-1986) zu einer der charismatischsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts geworden. Sein facettenreiches Werk, das bis heute Einfluss auf die aktuelle Kunstproduktion hat, wird immer wieder unter den verschiedensten Aspekten präsentiert und diskutiert.
Der Katalog, mit Farbabbildungen aller gezeigten Werke, führt durch die verschiedenen „Parallelprozesse“. Essays stammen von Marion Ackermann, Gottfried Boehm, Wilfried Kuehn, Isabelle Malz, Maja Naef und Johannes Stüttgen. Im Interview äußert sich die international bekannte Aktionskünstlerin Marina Abramovi;. Zusätzlich dokumentiert erstmals ein spezieller Stadtplan die Orte in Düsseldorf, die im Leben des Akademieprofessors eine besondere Bedeutung hatten. Hierzu werden auch Führungen organisiert.

Zur Ausstellung
Kuratoren der Ausstellung: Marion Ackermann, Isabelle Malz.
Joseph Beuys. Parallelprozesse (11.09.2010 – 16.09.2011) in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen am Grabbeplatz in Düsseldorf verdeutlicht unter anderem mit zehn bedeutenden Rauminstallationen beziehungsweise großen skulpturalen Arbeiten den „Erweiterten Kunstbegriff” von Beuys. Politische und künstlerische Utopien verschmelzen hier zur Sicht auf die Gesellschaft als „Sozialer Plastik”. Im Schmela Haus werden namhafte Künstlerinnen und Künstler während der Ausstellung zu Beuys sprechen.
Joseph Beuys erweiterte in seinen Arbeiten den künstlerischen Werkbegriff: Er glaubte an die Kraft der Kunst, den Menschen zu verändern und entwarf soziale und künstlerische Utopien. Erst nach und nach zeigt sich sein weltweiter Einfluss, der bis in die jüngste Kunstproduktion hinein spürbar ist. Zu den insgesamt rund 300 Arbeiten, die in der Kunstsammlung am Grabbeplatz und im Schmela Haus gezeigt werden, gehören Hauptwerke wie “zeige deine Wunde” (1974/75), “The pack (das Rudel)” (1969) oder “Fond IV/4” (1970/71).
Einige dieser von wichtigen Museen oder Privatsammlern entliehenen Installationen verlassen erstmals seit dem Tod des Künstlers für die Düsseldorfer Ausstellung ihren festen Platz. Zum ersten Mal wird in Europa die Rauminstallation ”*Stripes from the house of the shaman 1964-72*“ (1980) gezeigt. Auch eine umfangreiche Auswahl von Zeichnungen, Objekten, plastischen Bildern und Relikten seiner Aktionen, die auf besondere Weise Kunst und Leben in Beziehung setzen sollten, ist zu sehen.
Skulpturale und bildnerische Aspekte, theoretische Reflexion und aktionistisches Handeln sowie die eigenwillige Umwandlung von Werkstoffen und Gegenständen verbinden sich damit in „Parallelprozessen” zum unverwechselbaren und außergewöhnlichen Lebenswerk von Joseph Beuys. Nicht nur die bildhauerischen Qualitäten, sondern auch die performativen Potentiale seiner Kunst werden auf diese Weise gegenwärtig. Diese komplexen Vernetzungsstrukturen innerhalb des Beuys-Werkes sind in der Ausstellung auf fast 3000 Quadratmetern nachvollziehbar und sinnlich erfahrbar.
Die Ausstellung ist Teil des Programms der Quadriennale 2010, die von der Landeshauptstadt Düsseldorf getragen wird. Die wissenschaftliche Kooperation von Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und Friedrich-Schiller Universität Jena hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit erheblichen Forschungsmitteln unterstützt. In den vom Land Nordrhein-Westfalen erworbenen Räumen der ehemaligen Galerie Schmela – einem Ort, an dem Joseph Beuys in den 1970er und 1980er Jahren mit seinen Ausstellungen und Aktionen Kunstgeschichte geschrieben hat – bereitet ein junges Forschungsteam seit 2009 ein Beuys-Symposion für den kommenden Januar vor. Grundlage sind ihre Katalogtexte zu Einzelwerken und Themenfeldern bei Joseph Beuys. Die erfolgreiche Veranstaltungsreihe der Kunstsammlung, BEUYS AUSSTELLEN? (12.11.2009 - 24.06.2010), die in Kooperation mit Prof. Wilfried Kuehn und der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe entwickelt worden ist, hat die Möglichkeit von Beuys-Präsentationen im Vorfeld ausgelotet
Die Ausstellung wird unterstützt vom Exklusivsponsor HSBC Trinkaus & Burkhardt AG und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Medienpartner ist die Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH.

Fazit
Herausgeber Ulrich Müller hat zusammen mit seinem rund siebzehnköpfigen Autorenteams das Katalogbuch " Joseph Beuys" in einem Seminar "Parallelprozesse" zur Ausstellung in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf 2010/2011 mit grosser Intensität zusammengefasst.
Ein eindringliches Portrait von Beuys ist da entstanden. Unvergessen sind die Begegnungen* mit ihm, und jeder der ihm gegenüber stand oder sass, wird durch die Ausstellung und die Monographie unmittelbar berührt ob der Inszenierungen, Aktionen und zugleich basis-demokratischen geführten Gesprächsform auf Augenhöhe - trotz der ihn umgebenden "Gaffer und misstrauisch wachenden Galerieheinis -, wie er stets mir gegenüber äusserte. Ulrich Müller nennt seine analytischen Zugang " Archäologie einer künstlerischen Praxis" . Diese Praxis hat Beuys als aussengelenkter Kriegs-Mut-Soldat erlernt um Zerstörung und Staatsterror zu inszenieren. Danach folgte die posttraumatische Friedenstrauerarbeit in der Verwandlung zum ästhetisch-hochleistungstrainierten Mut-Gestalter als Über-Lebenskonzept mit tiefgründend gelungenen Versuchsreihen zwischen Zivilisations-Verbrauchsmaterial und Natur-Integration - transdisziplinär. So entstand eine posthume Synergie in diesem Parallelprozess, die sich in diesem Projekt deutlich darbietet. m+w.p12-3
Vertiefende Hinweise :
*) Begegnungen
 http://archiv.kultur-punkt.ch/galerie/kultur-punkt-galerie-b.htm
Rezension
 http://archiv.kultur-punkt.ch/praesentation/ereignisse/er-moyland-beuys06-11.htm