Claude Lévi-Strauss: Traurige Tropen. Mit 40 Gouachen von Mimmo Paladino

W+B Agentur-Presseaussendung November/Dezember 2008 sowie im Internet-Journal www.kultur-punkt.ch
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Claude Lévi-Strauss: Traurige Tropen. Mit 40 Gouachen von Mimmo Paladino >>
Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer.
541 Seiten, Gebunden. Mit zahlreichen Abb. (ISBN 978-3-518-58511-5), Euro 38,00 [D] / Euro 39,10 [A] / sFr 61.50
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008; www.suhrkamp.de;

Inhalt
Zum 100. Geburtstag von Claude Lévi-Strauss legt der Suhrkamp Verlag eine Sonderausgabe der Traurigen Tropen vor. Mimmo Paladino, der selbst mehrfach Brasilien bereiste, versieht Levi-Strauss' Text mit 40 farbigen Gouachen, die er eigens für diesen Band anfertigte. 300 Exemplare erscheinen als vom Künstler signierte Vorzugsausgabe.
»Ich verabscheue Reisen und Forschungsreisende.« – Mit diesem berühmten Bekenntnis beginnt eine der faszinierendsten und theoretisch folgenreichsten Reisebeschreibungen des 20. Jahrhunderts: Claude Lévi-Strauss' Traurige Tropen. Das erstmals 1955 erschienene Buch ist literarischer Erfahrungsbericht, anthropologische Studie und philosophisches Grundlagenwerk zugleich. Die konkreten Beschreibungen von Mythen und Riten, von Kleidungsstilen und Körperbemalungen, von Tänzen und Sprachen verschränken sich mit allgemeinen Analysen gesellschaftlicher Strukturen, die nicht nur das anthropologische Denken auf eine neue Basis stellen, sondern auch eine nachdrückliche Kritik der westlichen Zivilisation – und der in ihrem Namen unternommenen Forschungsreisen – formulieren. Der Grund für Lévi-Strauss’ Abscheu gegen die zeitgenössischen Reiseberichte ist so einfach wie verheerend: »Sie geben uns die Illusion von etwas, das nicht mehr existiert, das aber noch existieren müßte, damit wir der erdrückenden Gewißheit entrinnen, daß zwanzigtausend Jahre Geschichte verspielt sind.«
Als Moralist in der Nachfolge Rousseaus und Wegbereiter des Strukturalismus in den Sozialwissenschaften, als ethnologischer Feldforscher und philosophischer Denker beschreibt Lévi-Strauss nicht nur seine Reisen zu den Indianern im Innern Brasiliens, sondern auch den eigenen intellektuellen Werdegang. Kein Buch wäre besser geeignet, die Vielfalt und Wirkmacht seines Denkens an seinem 100. Geburtstag zu würdigen. Der Band bietet die preisgekrönte Übersetzung Eva Moldenhauers mit den Abbildungen und Photographien der Originalausgabe.

Autor
Claude Lévi-Strauss, geboren 1908 in Brüssel, gilt als Begründer des Strukturalismus und lehrte von 1935 bis 1939 Soziologie an der Universität von São Paulo und von 1935 bis 1945 an der New School for Social Research. 1950 erhielt er an der École Pratique des Hautes Études einen Lehrstuhl für Vergleichende Religionswissenschaften der schriftlosen Völker und 1959 am Collège de France den Lehrstuhl für Anthropologie.

Fazit 1
Der nunmehr 100-jährige Strukturalist Claude Lévi-Strauss hat mit seinem ethnologischen Kultbuch " Traurige Tropen" bis heute faszinierende und transdisziplinären Forschung-Ansichten unwiederholbar dargelegt. Grossartig übersetzt Eva Moldenhauer. Mit 40 Gouachen von Mimmo Paladino und ethnologisch orientierten sw-Fotografien.Strauss selbst plädiert für eine Entropologie statt Anthropologie, die sich mit dem Prozess der Desintegration in seiner ausgeprägtesten Erscheinungsform beinhaltet. Ausserdem erkennt Strauss sich selbst nicht als Individuum: "..denn was bin ich in dieser Hinsicht anders als der immer wieder in Frage gestellte Einsatz im Kampf zwischen Gesellschaft... und meinem Körper (meinem Termitenhügel-Schädel).." fasst er seine Erkenntis stringent neu-platonisch zusammen. w.p. 08-11

Nachtrag und Fazit 2
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/swr2-forum/-/id=660214/nid=660214/did=4098884/bb0ia5/index.html

"Ich habe einen neolithischen Verstand" –
Sendung am Dienstag, 25.11.2008, 17.05 bis 17.50 Uhr

Zum 100. Geburtstag des Ethnologen Claude Lévi-Strauss

Es diskutieren:
Bartholomäus Grill, Publizist und Autor der Wochenzeitung „Die Zeit“
Dr. Michael Kauppert, Soziologe, Universität Jena
Prof. Dr. Michael Oppitz, Ethnologe, ehem. Direktor des Völkerkundemuseums Zürich
Moderation: Eggert Blum

Der einflussreichste Ethnologe des 20. Jahrhunderts lebt zurückgezogen in Paris. Seine intellektuellen Kontrahenten der 60er und
70er Jahre, wie Sartre und Foucault, hat er alle überlebt. Und damit auch die damals drängenden philosophischen Fragen: Hat die
Geschichte ein Ziel? Und: Verbessert der technische Fortschritt die Bedingungen des Lebens auf der Erde? Lévi-Strauss, als
Philosoph Kultur-Pessimist, bezweifelte beides. Viele sehen darin heute seine Aktualität. 1955 – nachdem der französische Jude
vor dem Holocaust nach New York geflohen war – erschien das Buch, das ihn berühmt machte: „Traurigen Tropen“. Er beschreibt
darin das zerstörerische Potenzial der europäischen Zivilisation am Beispiel des brasilianischen Urwalds. „Zwanzigtausend Jahre
Geschichte“, so sein Fazit, seien „verspielt“. Als Ethnologe übertrug er die strukturalistische Methode auf die Erforschung der
Mythen und Verwandtschaftsbeziehungen der sogenannten Primitiven. Und meinte, dass „Wildes Denken“ anders, aber ebenso
komplex wie unser technisch-wissenschaftliches funktioniere: Auf einer tiefen Ebene gehorche das Denken aller Menschen den
gleichen universellen Mustern. Wie aktuell ist die Philosophie des Pariser Universalgelehrten in der globalen Gesellschaft des 21.
Jahrhunderts?

Buch-Tipps:
Claude Lévi-Strauss: Traurige Tropen, Suhrkamp-Verlag, Neuausgabe mit den Abbildungen und Photographien der
Originalausgabe, 38,00 Euro;
Claude Lévi-Strauss: Das Wilde Denken, Suhrkamp-Verlag, 13,00 Euro;
Michael Kauppert und Dorett Funcke (Hrsg.): Wirkungen des Wilden Denkens, Suhrkamp-Verlag, 15,00 Euro;
Michael Kauppert: Claude Lévi-Strauss, Uvk-Verlag, 14,90 Euro

Fazit 2
Traurigen Tropen vermitteln Steinzeitgeist in aktuellem Sinn. Ist ein Rousseau- Bekenntnis aber nur zum kleineren Teil.
Bedeutet reflexive Ethnologie mit subsumierender Darstellungsfähigkeit eigener Befindlichkeit. Ist ein Modell a la prima, erstellt mit der 20-jährigen Feldarbeit zu einem Buch. Seither sind von 5 Mill. von Einheimischen seit 1930 350.000 übriggeblieben - nennen wir es Holocaust, Völkermord, dank kolonialistischen Faschismus und seiner ideologischen Vernichtungsarbeit.
Levi Srauss: Ich habe einen neolithischen Verstand " bedeutet für Ihn und uns sie Neolithen haben gleich gut gedacht. Gegen Arroganz, Aufklärung, betrachten wir nur die vorhandene Malerei und Alltagskeramik und die sogenannten weiblichen Idol-Skulpturen, die wir als Überlebens-Fetisch im Handgepäck (Handy) der jagenden Männerhorden sehen (w.p. 08-12).
Sie entwickelten erstmals das Wilde Denken, das sich aus elementarem Empfindungen und Sinnlichkeit bei der Wahrnehmung der Natur (zwischen Pflanze, Tier, Mensch) manifestiert im Gegensatz zu unserem verkümmerten Denken deutlich macht, bei dem das Abstrahieren(besser: Verlassen der originären Wahrnehmung), die Analyse (Descartes) die Hauptherrschaft übernimmt.
Wildes Denken = ( in frz. heisst auch) Stiefmütterchen (Titelbild der Erstausgabe) deutet metaphorisch auf das Beobachtungs-Musterverhalten die Taxonomie/Benennung von Pflanze-Tier-Mensch und das Zeichensystem als Sprache aus der Natur hin. Gemeinschaft/Tradition (damals) statt Gesellschaft/Moderne (heute) und im Kunst-/Kulturverhalten bevorzugt die Intensivierung des Details (bis heute ausschliesslich in der Kunst beobachtbar) . So begegnen wir heute sowohl einer nehmenden (Bodenschätze...)als auch einer gebenden(Cola, Nylon...) Kolonisation.
Übrigens: haben wir es mit dem Strukturalismus von levi Strauss in der Erkenntnis mit der wilden Denken im Strukturalismus
mit einem platonischen Dorf/Staat zu tun: Die Dorfstruktur der Einheimischen wurde in zwei Hälften der Gesamtgruppe geteilt wobei die Mitte der Club der Männer einnahm: Hier ist das direktes Diskursmodell als Mittel und Grammatik des Wilden Denkens angedacht. Lassen Sie uns würfeln wie es heute weiter geht. w.p.08-12