Die Zukunft der Schönheit (Entwurf, status nascendi; H. Heere)

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Zukunft der Schönheit (H. Heere)
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Die Zukunft der Schönheit (Entwurf, status nascendi;  H. Heere)

Vorbemerkung
Gerne steuere ich etwas bei und zwar einen Entwurf zur "Zukunft der Schönheit", der aber diese übersteigt ins Politisch-Allgemeine und damit ins Europäisch-Globale.
Wie gesagt, es ist ein Entwurf und ich werde bis übernächste Woche noch ziemlich viel Gedanken-Schweiß darauf verwenden müssen, es fertig zu machen!!!
In word ist es sehr groß wegen der Bilder (10 Megabite).
Wenns zu groß ist, muss ich leider die Buidln raushauen.
 

Inhalt  (Aktueller Stand)
(Die Bilder werden als Print zum Diskurs vorgelegt)

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Arcadia (Fest der Götter), 2018, Öl auf Leinwand, 120 x 100 cm

Bevor wir danach fragen, welche Utopien denn die Schönheiten der Kunst  reklamieren könnten, müssen wir nach der Zukunft der Kunst selbst fragen. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde viel über das „Ende der Kunst“ und selbstverständlich über die Kunst „nach ihrem Ende“ gesprochen .
Allerdings könnte die Frage nach der utopischen Dimension von Kunst ein Widerspruch in sich selbst sein, da Kunst nicht nur auf etwas zeigt, sondern auch und vor allem sich zeigt . Das Kunstwerk präsentiert sich. Heidegger hat das in erweitertem Sinn mit seiner „Dinghaftigkeit“ des Werks gemeint. So kommt er ohne den Begriff der Nachahmung
 
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Apokalypse (Der Engel), 2018, Acryl/Collage, 24 x 47,5 cm
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Apokalypse (Das zweite Sigel), 2018, Acryl/Collage, 23,3 x 47,5 cm
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Apokalypse (Der große Stein), 2018, Acryl/Collage, 25,5 x 47,5 cm

aus, der uns seit Platon fast selbstverständlich geworden ist. Die Präsenz ist nun selbst Gegenwart par excellence, wohingegen jede Utopie – und jede Dystopie – in die Zukunf verweist, wird allerdings in der Gegenwart abgehandelt Andererseits ist der Arcadia-Komplex, wie auch das „Goldene Zeitalter“ oder das „Paradiese“ von chiliastischen und messianischen heilsgeschichtlichen Hoffnungen und Endzeit-Erwartungen geprägt, die alles andere als erledigt sind oder bloße esoterische Gespinste darstellen. Insbesondere der „Schönheitsmythos“ spielt hier ein gewichtige Rolle, da am Ende der geschichtlichen Entwicklung eine himmlische, friedliche, harmonische kurzum „neue schöne Menschheit!“ steht .
Auch ging man daran, die „Weltgeschichte als Heilsgeschichte“ massiv in die Tat, bzw. die Weltpolitik umzusetzen. Die Weltkriegs-Katastrophen und die „Segnungen“ des „realen“ Kommunismus sollten eigentlich ein für alle Mal jede Nachahmung dieser anti-humanen, auf vielfachen Völkermord hinauslaufenden „politischen Theologie“ ausschliessen. Nach dem „Tag danach“, sprich nach der nuklearen Katastrophe, gibt es keine wunderbare Allerneuerung (Apokatastis), wie uns die unzähligen großen und kleinen Apokalypse-Erzählungen in Film, Videospiel, Comics oder Büchern eindrucksvoll vorführen.
Zum ersten Mal in der Geschichte des Menschen, die sich nun zum „Anthropozän“ entwickelt hat, also zum Zeitalter des Menschen, sind die diversen Weltuntergangs-Szenarien nicht nur Produkte einer kollektiven Einbildungskraft.
Es wird also wohl kein reines Reich der Harmonie, des Friedens, der ewigen Jugend und Schönheit geben. Schönheit ist als Ereignis flüchtig. Ein Abglanz davon lässt sich auf reale und virtuelle Oberflächen bannen, spiegelgleich. Nicht umsonst ist die Geschichte der Schönheit(en) reich an Spiegel-Metaphern, vom Spiegel der Venus bis hin zum Zauberspiegel, der Schneewittchen beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Darin spiegelt sich übrigens auch eine gewisse Dämonisierung der Liebesgöttin, die zur märchenhaften bösen Schwiegermutter mutiert, ein Schicksal, das die „schöne, züchtige“ Aphrodite in ihrem eher dunklen Nachleben im Christentum in vielerlei Gestaltung erfuhr.
„Arcadia“ ist ein Sehnsuchtsort, ein wahrer U-Topos, ein Nicht-Ort und hat wenig zu tun mit den großen politischen Utopien eines Platon, eines Joachim von Fiore, eines Thomas Morus und anderen. Erst heute in Zeiten zunehmender ökologischer Katastrophen käme dieser kollektiven Phantasie-Idylle eine gewisse politische, allerdings wenig tröstliche Bedeutung zu. Es ist hier weder der Ort, diese zu referieren – täglich erreichen uns neue bedrückende Hiobsbotschaften – noch deren Verdrängung in großem Stil, vor allem in Amerika. Die dystopischen Ungeheuer und Monstren in meinen Arcadia-Arbeiten sind ein Hinweis darauf.
In einer bis von Platon und Aristoteles bis Adorno ausgehenden Tradition ist die Kunst als eine Real-Utopie angesehen worden, d.h. sie realisiere etwas, aber nur als Schein. So konnte ihr Verweisungscharakter als Verwirklichung einer Welt interpretiert werden, wie sie sein soll, eben als Utopie, in der natürlich der Schönheit ein führender Part zukommt, beispielhaft bei Schiller. Diese als schmerzlich, ja tragisch empfundene Differenz führt seit der Neuzeit einerseits zu einer „Ästhetisierung der Politik“, am schlimmsten im Faschismus, anstatt zu einer „Politisierung der Ästhetik“, die Benjamin in seinem berühmten Kunstwerk-Aufsatz in den, damals neuen Medien, wie Foto und Film aufgrund ihrer technischen Struktur verwirklicht sieht .
Die Utopie der Kunst liegt in ihrer Schönheit.
Der Philosoph Christoph Menke greift zu Beginn seiner Untersuchung des heutigen – und vielleicht zukünftigen – Verhältnisses von Kunst, Politik und Schönheit auf die Aufklärung, genauer auf Foucaults Essay „Was ist Aufklärung“ zurück.  Foucault fragt nach dem Verhältnis von Aufklärung und Modernität und greift seinerseits auf Baudelaire (und natürlich auf Kant) zurück, wenn er Baudelaires Insistieren auf die „ironische Heroisierung der Gegenwart“ des modernen Künstlers betont.
Diese ironische Heroisierung der Gegenwart, dieses Spiel der Freiheit mit dem Wirklichen zum Zwecke seiner Verklärung, diese asketische Ausarbeitung seiner selbst begreift Baudelaire nicht so, als könnten sie in der Gesellschaft selbst oder im politischen Körper stattfinden. Sie können nur an einem anderen Ort zustande kommen, den Baudelaire die Kunst nennt.
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Arcadia (Tod Gottes 1), 2018, Acryl/Collage auf Dibond, 70 x 105 cm

Alles deutet darauf hin, dass wir mit dem 21. Jahrhundert in das Anthropozän mit einer permanenten Post-Moderne eingetreten sind. Deren bestimmende Struktur ist die „Ewige Wiederkehr des Gleichen“. Oberflächlich gesehen (es gibt überhaupt nur „Oberflächen“), ist dafür die Globalisierung verantwortlich. Die vermeintlichen heutigen Kulturkämpfe – so bestimmend und verstörend sie sein mögen – sind nichts anderes als Aktionen und Re-Aktionen auf diese Globalisierung. Obwohl es partielle Globalisierungen immer gegeben hat, liegt unserer Global-Globalisierung „der Tod Gottes“ zugrunde. Die Welt kommt damit zu ihrem Grund.
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Arcadia (Venus), 2018, Acryl/Fine Art Print auf Dibond, 75 x 100 cm

Doch diese „schöne neue Welt“ wird eine andere sein. „Es gibt keine Welt mehr: keinen mundus, keinen kosmos, keine durchkomponierte vollständige Anordnung, innerhalb der oder aus deren Innern her Ort, Aufenthalt und Anhaltspunkte für eine Orientierung zu finden wären. Es gibt nicht mehr das „Hienieden“ einer Welt, die Durchlass zu einem Jenseits der Welt oder zu einer Hinterwelt gewährte. Es gibt keinen Weltgeist mehr, und auch keine Geschichte, die vor seine Gerichtsschranken führte. Anders gesagt, es gibt keinen Sinn der Welt mehr.“  Selbst wenn wir uns vor Augen halten, dass Nietzsche, der den Tod Gottes proklamiert hatte, seinen Zarathustra angesichts der Eseleien neuer Gottes-Anbeter ausrufen lässt: „Der häßlichste Mensch ist an allem schuld: der hat ihn wieder auferweckt. Und wenn er sagt, daß er ihn einst getötet habe: Tod ist bei Göttern immer nur ein Vorurteil.“ , so werden wir doch klar sehen, dass von seinen Mythen und Pseudo-Mythen nur eine, die allerdunkelste, geblieben ist, die der „Ewigen Wiederkehr des Immer-Gleichen“.
Jean-Luc Nancys Paraphrase des „Endes der Welt“ hat, so betont er, nichts mit einer Apokalypse zu tun, da „ein solches Denken noch völlig dem Regime eines bedeutenden Sinnes verhaftet ist, den es sich setzt, um als „Unsinn“ oder als „Offenbarung“ zu enden. Letzteres ist eine Anspielung auf die ursprüngliche Bedeutung von „Apokalypse“, die nichtsdestotrotz sich seit dem Mittelalter bis in die jüngste Filmgeschichte einer nicht nachlassenden Beliebtheit in Kunst und Film erfreut. Die Apokalyptik ist bis zum Beginn der Neuzeit noch auf ein finales Heilsgeschehen, eben jenem, auch im biblischen Text schon recht diffusen „himmlischen Jerusalem“ verpflichtet, einem utopischen Reich einer All-Erlösung (apokatastasis), nachdem alle Antichristen im der apokalyptischen Feuersturm zugrunde gegangen waren. Dass gegen Ende des Mittelalters auch eine endemisch grassierende Angst vor Weltuntergängen vorhanden war, zeigt eine vor kurzem aufgefundene Bilderhandschrift, ein „Wunderzeichenbuch“, das „dem stetig wachsenden Interesse an außergewöhnlichen, von Gott gesandten Zeichen im Europa des 16. Jahrhunderts auf spektakuläre Weise Ausdruck verleiht,   die auf Überlieferungen von Omen und Weissagungen aufbauten, die bis in die klassische Antike und zur Bibel zurückreichten“.

Stendals berühmter Aphorismus, der auch das Motto meines Künstlerbuches ist, geht nach Menke auf Thomas Hobbes zurück, nach dem das Schöne zwar nur ein Schein ist, der aber auf ein Sein verweist, nämlich das des Guten und zeigt somit die praktische Möglichkeit des Guten an. „Wenn das Schöne das Gute verspricht, wenn das Gute ein Wert und der Wert eine für uns brauchbare Macht ist, wenn schließlich eine brauchbare Macht nichts anderes als ein Vermögen oder eine Fähigkeit ist – dann, so folgt daraus, ist das Schöne das Versprechen von Macht als brauchbarer Fähigkeit.“ 
Das Schöne verspricht letztlich uns selbst Fähigkeiten und Ressourcen.
Damit bringe die bürgerliche Ästhetik „die tiefe Erfahrung des „Unbehagens“ in der Kultur, die Empfindung, dass unsere Natur in keine Kultur passt, zum Schweigen…Der Schein des Schönen sagt uns, dass wir wirklich Fähigkeiten haben.“  Das „heutige Schönheitsregime postmoderner Gesellschaften“ entwickle nun dieses bürgerliche Schöne als Versprechen von Fähigkeiten zu einer zentralen Triebkraft, die „für das Funktionieren der gegenwärtigen Ökonomie von entscheidender Bedeutung ist“, denn „ökonomisch Konsumierende müssen zugleich ästhetisch Teilnehmende sein“. Allerdings habe Stendhal das Verspechen der Schönheit als „Macht zur Selbstformierung zum fähigen Subjekt“ auch als Kritik verstanden. Es ginge nämlich um die „ideale Schönheit, wie sie in der Skulptur und in der Malerei zu finden sei. Menke macht klar, dass wir es hier nicht mit einer Rückkehr zu einer Metaphysik des Schönen zu tun haben, sondern dass „die moderne Ästhetik einen Gegenbegriff zur Macht entwickle – der Macht nicht als Fähigkeit, sondern als Kraft“ .
Im Gegensatz zu Fähigkeiten wirken Kräfte „von selbst, ohne Wissen und Wollen des Subjekts…Sie entfalten sich in einem Spiel…Die Wirkungsweisen der Kraft zeigen der Traum, der Rausch und die Imagination“.
Menke verbindet in seiner Konzeption der „Kraft“ zwei Motive der neueren Ästhetik, Schillers Ontologie des Spiels („der Mensch ist nur da Mensch, wo er spielt“) und Nietzsches „Erlösung im Scheine“ des „gleichnisartigen Traumbilds“ des „berauschten Schwärmers Archilochus“ .
Diesen Antagonismus zwischen Macht, die aus Fähigkeiten entspringt und Kraft, die dem Spiel verpflichtet ist begreift Menke als „den Kampfplatz in Theorie und Praxis um die Bestimmung des Schönen“ und zugleich als das politische Moment des Schönen.
Die Kunst ist also nicht politisch, indem sie politische Inhalte oder politische Ansichten hat…Die Kunst ist nie politischer als wenn sie den ästhetischen Kampf um die Schönheit führt.

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