Prankl . C-Prints . Computergestützte, digitale Fragmentierung als Werkzeug : Statements

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Statement: Heere zu Prankl
Walter Prankl arbeitet mit Fundsachen. Er findet sie auf Spaziergängen, aber auch im Gerümpel oder auf verlassenen Baustellen, was ihn für einige Zeitgenossen verdächtig macht. Wie kann man denn in diesem Zeug suchen? Er muß da bestimmt auf etwas aus sein. Ist er auch. In der Tat. Zuerst einmal zum Finden. Wie im wirklichen Leben findet man ja nur das, was man sucht. Und das auch nicht immer. Bei Walter Prankl geschieht das Finden intuitiv. In seiner Vorstellung ist der Gegenstand, auf den die Aufmerksamkeit gerichtet ist, schon ein anderer geworden, hat in der Idee schon Metamorphose durchgemacht, in der er sich uns dann hier präsentiert. Was nicht heißt, Walter Prankl sei ein konzeptueller Künstler, die Wandlung vom Gefundenen zur Skulptur dauert manchmal lang, erfolgt manchmal spontan; immer ist der Augenschein wichtig. Trotzdem spielt in seinen Skulpturen das ursprüngliche Material noch eine bedeutende Rolle. Im Gegensatz zu herkömmlichen künstlerischen Materialien, deren Eigenbedeutung im fertigen Werk ausgelöscht wird. Auch das scheint sich übrigens in neuesten Interpretationen zu ändern, in denen die moderne Kunst als Weg hin zum Immateriellen gesehen wird. Diese Auffassung beruht natürlich auf der Struktur der elektronischen Medien, auf dem virtuellen Bild also. Als gelernter Architekt kennt Walter Prankl sich auch mit Baustellen aus. Kennt er sich auch mit Götterdämmerungen aus? Ich sagte vorhin, seine Fundsachen spielen auch nach ihrer künstlerischen Bearbeitung eine Rolle. Im Lichte der Ideen des Künstlers werden sie zu geheimnisvollen Trägern magischer Bedeutung, darin Fetischen gleich. Diese waren in den sogenannten primitiven Gesellschaften im Gegensatz zu Kunstwerken selbst mit Kraft, mit mana aufgeladen. Im Bildzauber der Devotionalien, wie man sie an jedem Wallfahrtsort findet, steckt noch ein Rest jener Fetischgläubigkeit.
Nimmt also Walter Prankl mit seinen Skulpturen das Ende der Welt vorweg und gestattet uns einen nicht gerade pessimistischen Rückblick darauf? Ich kann Sie beruhigen, Walter Prankl ist alles andere als wahnhaft in sich selbst verstrickt, er kann zwischen Sein und Schein unterscheiden. In seinen Skulpturen spielt Walter Prankl mit den Bedeutungen, auch mit den wahnhaften. Er füllt das Bedeutungslose, selbst das Nicht-mehr-nützliche, wieder mit Bedeutung. Er will den Himmel auf die Erde holen und nicht umgekehrt. Aber auch Stationen seiner Biographie, seines Arbeitslebens hat Walter Prankl in seine Skulpturen hineingewoben. Die Textur seiner Arbeiten spiegelt Leben wieder. Im Gegensatz zu einer Ästhetik des Verschwindens sagt Prankl: Unsere Zeit, die uns noch bleibt, loslassen lernen und in Häppchen genießen. Was ich Ihnen hiermit empfehle, mit seinen Skulpturen zu tun.
Heribert Heere, München-Zürich, zu Walter Prankls Skulpturen, 1991.

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Statement: Prankl zum Werk selbst.
Weshalb erarbeite ich Skulpturen, zeichne, koloriere und bemale sie, mache Videoaufzeichnungen? Nun, für mich ist das die Möglichkeiten mit mir und der Umwelt ins reine zu kommen, dem in der Alltagsroutine innewohnenden Kunstbegriff ein erstes Mal zu betrachten, was er für einer ist. Es ist der Versuch, innezuhalten, auch und gerade bei etwas Belanglosem, Weggeworfenem, ja sogar Zerstörtem, Verunfalltem, sei es auch nur ein Winzling vielleicht. Das hat aber für mich mit dem vorerst schleierhaften, nach und nach jedoch, erweiterungsfähigen und narrativen, ja märchenhaften, volks- und völkerkundlichen Kunstbegriff zu tun. Möglicherweise aber ist es auch ein Vorhaben, Vorwand, eine Beziehung anzuknüpfen, ein Mittel, ja Fetisch, um den Kunstbegriff bei mir aufzubewahren, oder um ihn zu unterhalten, mit ihm etwas zu unternehmen. Jedenfalls stelle ich damit keine Theorie auf, finde kein schlüssiges System, in den verschiedenen Praktiken, die meine Arbeit begleiten.
So ist jedes nach und nach sich abzeichnende Thema anders, jedes hat seinen eigenen Charakter, seine Eigen-art mit Dir, dem aufmerksamen Betrachter, in Beziehung zu treten. Die einen Themen und Figuren treten zögernd und diskret auf, aber sie sind fähig, Dich auf heimtückische Weise in ihre Thematik hineinzuziehen - ohne dass Du es merkst. Andere überraschen Dich freundlich und spassig verkleidet, um nicht erkannt zu werden. Wieder andere sind ausgelassen und heftig. Darüber hinaus gibt es welche, die Dir mühelos und pflegeleicht begegnen. Das sind diejenigen, die Dich dann voll in Besitz nehmen, denn die Verständigung verläuft irgendwo in der Tiefe, unkontrolliert und unanfechtbar.
Es gibt Themen und Figuren, denen ich in meiner Kindheit erstmals begegnet bin, die ich mit mir herumtrage und die immer noch kein Zutrauen zu mir zeigen, ihre Absicht noch nicht preisgegeben haben. Wenn sie sich entschliessen, mit mir zusammenzuarbeiten, werden sie es mir mit völlig überraschenden Zeichen, inmitten der Alltagsroutine, zu verstehen geben. Manchmal habe ich sogar die Vermutung, dass es gar nicht um den Kunstbegriff geht, sondern um etwas ganz anderes. Dann erschrecke ich etwas. Doch zugleich tröstet mich dieses sich in den Vordergrund drängende Thema, dass es sich dabei um eine Leitfigur, ein neu-art-iges Paradigma handelt, das die Aufgabe hat, mir weitere Erzählungen und Figuren zuzuführen. Ich brauche eine elastische Choreografie, eine, die alles bloss andeutet, andererseits dort sehr präzise ist, wo sich die Ideen bereits deutlich herausgearbeitet haben. In diesem Stadium beginne ich das Thema in gewisser Weise an den Haaren herbeiziehen, es sträubt sich. Aber es muss mit Zärtlichkeit gezähmt werden. Manchmal blähe ich den erzählenden Anteil wider besseren Spürens auf. Andere Male werde ich von Randfiguren abgelenkt vom Ziel, worauf die kunst-ergreifende, -begriffliche und narrativen Ebene weiterzuwollen. Dann richte ich mein Balkon-/Garten-Atelier ein, lasse die Findlinge eines Fundweg- und Fundzeitraumes an mir vorbeiziehen und zueinander in Beziehung treten. Das ist ein beinahe schamanischer Vorgang, um das Vorausahnen zu begünstigen, ein Environment, eine Athmosphäre zu schaffen. Dabei geht es darum, die Gesichte zu sichten und das Neue, Unbekannte, zu stärken.
Ich möchte unzählige Gesichte sehen, bin nie zufrieden, und wenn einmal, dann vergleiche ich es mit wieder anderen. Es ist absolut neu- und e-rotisch. Auf dieser Suche nach Gesichten, Model-Prints und tantrischen Gesten unter diesen Findlingen beginnt das Thema zu leben wie nie zuvor. Es existiert im Aufblitzen, in Bruchteilen von Zeit, Raumkörpern und dem Zwischenraum. Und ich fühle dabei den lustvollen Wunsch mich von diesem Aufblitzen verführen zu lassen. In diesem Etwas, dieser Atmosphäre, das vorher nebelhaft, und unbestimmbar war, nimmt das Thema schliesslich Gestalt an.So be-weg-e ich mich, und bin unter-weg-s, zwischen dem Universellen und dem Ausgewählten.
In Würdigung von Federico Fellini, Walter und Marga rankl.,1993-2008