Medien und Meinungsmacht von Manuel Puppis, Michael Schenk und Brigitte Hofstetter (Hrsg.)

AV / PDpdf - MedF Media
Medien - Meinungsmacht
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Online-Publikation: Januar 2017  im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Medien und Meinungsmacht von Manuel Puppis, Michael Schenk und Brigitte Hofstetter (Hrsg.)  >>
Die Studie wurde unterstützt vom Bundesamt für Kommunikation BAKOM.
ISBN 978-3-7281-3792-0 (Printausgabe) Download open accessISBN 978-3-7281-3793-7 / DOI 10.3218/3793-7
© 2017 vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich; http://www.vdf.ethz.ch; mailto:verlag@vdf.ethz.ch

Charakteristika
Fazit, vorangestellt

Basistext
1) Einführung: Strukturwandel der Medien :
2) Teil 6  Mediennutzung im Allgemeinen
3) (Teil 8) Schlussfolgerungen
4 ) (Teil 8.3) Fazit
5) Inhaltsverzeichnis

Fazit
Stimmig ist:
>Demokratien benötigen ein funktionierendes Mediensystem und unabhängigen Journalismus - soweit es die bestehende Oligarchie zulässt
>Durch die Digitalisierung befindet sich das Mediensystem in einem fundamentalen Umbruch.
>Das Internet bietet für die Demokratie  und für den Journalismus essentielle Möglichkeiten zur Recherche für öffentliche und   private Anbieter
>Aber die Konkurrenz durch A/soziale, private Netzwerke & Suchmaschinen beschert den klassischen Medienorganisationen
>Öffentliche Medien (aktuell siehe Schweiz) werden massiv von den rechten & privaten Medien angegriffen, um an die  Gebühren-Teilhabe zur Machtgenerierung, heranzukommen, ohne selbst die synästhetische und überzeitliche Kulturleistung erbringen zu wollen, da diese hohe Qualität stets ein Minus entbirgt (Kulturschaffen = Minderheits- & Minusunternehmen)
>Sinkende Einnahmen – Sparrunden, zeitweilige Arbeitslosigkeit - trotz Weiterbildung im Journalismus oder ähnlichen Bereichen der Kultur sind die Folge.
Der Ansatz 'Medien sind mehr als nur ein Wirtschaftsgut und sperren sich gegen eine rein ökonomische Betrachtung', lässt etwas Essentielles offen:
Die Quintessenz:
Den Kern des Diskurse über 'Medien & Meinungsmacht' in der aktuellen & besonders der direkten Demokratie, ist, dass sowohl private Milliardäre/populistische Meinungsmacher (mit ihren vorgeschobenen MitstreiterInnen) einerseits und andererseits Meinungsabnehmer (populistisch stets Verführbare, besonders durch die A-/sozialen Medien) die xenophobisch-phylogenetische Glut in ein Feuerwerk zu verwandeln, um die synästhetische Kulturwertschöpfung der Medienschaffenden als ein materielles Minus operativ für ihre autoritäre Machtschöpfung  gegen die demokratischen Prozesse zu positionieren: Medien-Kultur als PR zur Wahnschöpfung.  m+w.p17-1

1) hier kulturell mit Schwerpunkt auf ästhetische Wertschöpfung konnotiert
Synästhesie („mitempfinden“ oder „zugleich wahrnehmen“) bezeichnet hauptsächlich die Kopplung zweier oder mehrerer physisch getrennter Bereiche der Wahrnehmung. Darunter fallen Farbe und Temperatur (beispielsweise die Verbindung „warmes Grün“), Ton, Musik und Räumlichkeit, im engeren Sinne die Wahrnehmung von Sinnesreizen durch Miterregung der Verarbeitungszentren im Gehirn eines Sinnesorgans, wenn ein anderes gereizt wird.
https://de.wikipedia.org/wiki/Syn%C3%A4sthesie
2) phylogenetisch
https://de.wikipedia.org/wiki/Phylogenese
Phylogenese (‚Ursprung‘) oder Phylogenie bezeichnet sowohl die stammesgeschichtliche Entwicklung der Gesamtheit aller Lebewesen als auch bestimmter Verwandtschaftsgruppen auf allen Ebenen der biologischen Systematik. Der Begriff wird auch verwendet, um die Evolution einzelner Merkmale im Verlauf der Entwicklungsgeschichte zu charakterisieren. Im Gegensatz dazu bezeichnet die Ontogenese die individuelle Entwicklung eines Lebewesens. Beide zusammen sind Gegenstand der biogenetischen Grundregel.
https://de.wikipedia.org/wiki/Phylogenese
3) xenophobisch
Fremdenfeindlichkeit (bildungssprachlich Xenophobie griechisch ξενοφοβία „Fremdenangst“, von ξένος xénos „Fremder“ und φοβία phobía „Angst“, „Furcht“) ist eine Einstellung, die Menschen aus einem anderen Kulturkreis, aus einem anderen Volk, aus einer anderen Region oder aus einer anderen Gemeinde aggressiv ablehnt. Begründet wird die Ablehnung mit sozialen, religiösen, ökonomischen, kulturellen oder sprachlichen Unterschieden. In diesen Unterschieden wird eine Bedrohung gesehen, etwas zu Bekämpfendes. Fremdenfeindlichkeit ist oft eine Erscheinungsform von Nationalismus, Rassismus oder Regionalismus. Sie fördert die Ungleichbehandlung und Benachteiligung von Fremden in der Gesellschaft.
https://de.wikipedia.org/wiki/Fremdenfeindlichkeit

*
Vertiefender Hinweis zum Diskurs, dazu: Ausnahmezustand :- Barbarei oder Sozialismus?
http://www.kultur-punkt.ch/diskurs-platon-akademie-4-pa4/pa4-aktuell/barbarei-oder-sozialismus.html

 

***
1) Einführung: Strukturwandel der Medien
Medien leisten einen wichtigen Beitrag zur Meinungs- und Willensbildung der
Bürgerinnen und Bürger und damit auch zur demokratischen Mitbestimmung.
Doch die Medienlandschaft befindet sich in einem tief greifenden Strukturwandel.
Mit ein Auslöser sind die Digitalisierung und die Verbreitung des Internets.
Nutzerinnen und Nutzer sowie Werbung sind ins Internet abgewandert. Entsprechend
kam es in den vergangenen Jahren zu zahlreichen Sparrunden im
Journalismus. Gleichzeitig hat sich die Konzentration der Medienbranche fortgesetzt.
Aufgrund dieser Entwicklungen nehmen die Möglichkeiten der Medien
ab, kritisch und umfassend über das politische, wirtschaftliche und kulturelle
Geschehen auf allen föderalen Ebenen zu berichten.
Für die Schweiz als direkte Demokratie ist eine Auseinandersetzung mit den
Folgen der durch die Digitalisierung ausgelösten Veränderungen von höchster
gesellschaftlicher wie politischer Bedeutung. Zielsetzung der vorliegenden Studie
ist es, Meinungsmacht und politische Informationsvermittlung in einer zunehmend
von der Digitalisierung geprägten Medienlandschaft breit zu untersuchen.
Analysiert werden die Setzung von Themenschwerpunkten (Agenda-
Setting) und das Zusammenspiel «alter» und «neuer» Medien, der Wandel von
Medienorganisationen sowie die Bedeutung neuer Akteure für die politische
Informationsvermittlung und Meinungsbildung. Zusammenfassend zeigt die
Studie folgende Auswirkungen der Digitalisierung auf:
 In traditionellen Medien und auf Social Media kommen zwar die gleichen
Themen vor, doch werden diese unterschiedlich gewichtet.
 Die Kommunikation über politische Themen kann auf Social Media aber
einseitig verlaufen. Publizistische Medien hingegen zeichnen sich durch
eine gewisse Ausgewogenheit aus.
 Vor allem bei jungen Nutzerinnen und Nutzern spielen für die Informationsnutzung
neben Gratiszeitungen und Newsportalen auch Suchmaschinen
und Social Media eine zentrale Rolle. Die Themenprioritäten
der Jungen unterscheiden sich aber kaum von der Gesamtbevölkerung.
20 Medien und Meinungsmacht
 Die Digitalisierung bietet Chancen für den Journalismus. Doch Journalismus
ist teuer und die künftige Finanzierung ungewiss. Der Spardruck
bleibt hoch, was zulasten von Qualität und Vielfalt gehen kann.
 Voting Advice Applications wie smartvote haben einen Einfluss auf den
Wahlentscheid und führen auch zu einer veränderten Vorstellung von
der Rolle der Gewählten. Das «freie Mandat» dominiert aber weiterhin.


2) Teil 6  Mediennutzung im Allgemeinen
Bevor das politische Informationsverhalten untersucht wird, soll zunächst ein
Überblick über das Medienrepertoire der jungen Nutzerinnen und Nutzer gegeben
werden. Welche Medien werden überhaupt genutzt? Spielen traditionelle
Medien wie Zeitungen oder klassisches Fernsehen überhaupt noch eine Rolle
im Alltag der Jugendlichen und jungen Erwachsenen?
Die Affinitätsindizes8 einzelner Mediengattungen innerhalb verschiedener Bevölkerungsgruppen
zeigen, dass die junge Zielgruppe Medien insgesamt nur
unterdurchschnittlich stark nutzt (siehe Tabelle 18).

***

3) (Teil 8) Schlussfolgerungen
Neben traditionelle Medienanbieter ist eine Vielzahl neuer Intermediäre getreten,
die einen Grossteil der Aufmerksamkeit bündeln. Suchmaschinen und soziale
Netzwerke stellen einen Einstiegspunkt ins Internet dar und führen die
Nutzerinnen und Nutzer an politische Inhalte heran. Medienhäuser können sich
dieser Entwicklung nicht verschliessen. Ein immer grösserer Teil der Nutzerinnen
und Nutzer steigt nicht über die Hauptseite einer Onlinezeitung ein, sondern
stösst auf einzelne Artikel und Beiträge durch Google, Facebook, Instagram,
Twitter, Snapchat oder andere Social Media. Gerade unter jungen Personen
hat diese Form der Nutzung journalistischer Inhalte an Gewicht gewonnen.
Solche digitalen Plattformen sind somit ein wichtiger Distributionskanal für
politische Informationen geworden und verhelfen bestimmten Inhalten zu mehr
Aufmerksamkeit.
Doch Intermediäre sind Chance und Risiko zugleich. Abgesehen von den ökonomischen
Konsequenzen für die Produzenten von Publizistik, die dadurch
ihrer wirtschaftlichen Grundlage und des direkten Kontakts zum Publikum beraubt
werden könnten, muss hinterfragt werden, ob die einzelnen Nutzerinnen
und Nutzer verstehen, warum ihnen welche Inhalte angezeigt werden. Die Selektionsmechanismen
dieser Plattformen sind nicht durchschaubar, deren Algorithmen
Geschäftsgeheimnis. Journalistische Selektionskriterien werden durch
ökonomische Kriterien der Plattformbetreiber und durch Empfehlungen aus dem
eigenen Umfeld ersetzt. Inhalte von klassischen Medienhäusern und anderen
Kommunikatoren (einschliesslich politischer und kommerzieller Werbung) werden
nebeneinander und gegebenenfalls gleichwertig präsentiert, was politischen
und ökonomischen Eliten einen ungefilterten Zugang zu den Bürgerinnen
und Bürgern ermöglichen kann. Auch bezüglich neuer Informationsangebote
wie Voting Advice Applications müssen die Nutzer in die Lage versetzt werden,
diese kritisch zu hinterfragen.
Angesichts der starken Stellung von Medienunternehmen in der Gesellschaft
und der dominanten Rolle neuer Plattformen wird deshalb folgende Handlungsempfehlung
unterbreitet:
Handlungsempfehlung 2: Politik, Medienbranche und Bevölkerung müssen
darum besorgt sein, dass (nicht nur junge) Bürgerinnen und Bürger
über Medienkompetenz verfügen.
364 Medien und Meinungsmacht
Medienkompetenz ist eine wichtige Fertigkeit, die nicht nur Jugendliche erwerben
sollten. Medienkompetenz beschränkt sich nicht auf die Bedienung elektronischer
Geräte, sondern umfasst den reflektierten Umgang mit klassischen
Medien und Social Media sowie die Vermittlung von Wissen über Eigentumsverhältnisse
von Medienunternehmen, die Funktionsweise von Journalismus
sowie die Mechanismen des Datensammelns. Die Nutzerinnen und Nutzer sollten
in der Lage sein, die Qualität und den Wert von Medienangeboten zu beurteilen.
Hierzu gehört die Fähigkeit, Quellen und Interessen des Absenders kritisch
zu hinterfragen und auch den Unterschied zwischen journalistischen Inhalten
und anderen Formen von Content zu erkennen.
Handlungsempfehlung 2.1: Den Schulen kommt bei der Vermittlung von Medienkompetenz
eine Schlüsselrolle zu.
Medienkompetenzvermittlung und die Heranführung an Journalismus kann nicht
alleine an die Eltern delegiert werden. Um Chancengerechtigkeit sicherzustellen,
ist eine klare Verankerung von Medienkompetenz in der Schule notwendig.
Nur so ist sichergestellt, dass Kinder unabhängig von Interesse und sozialem
Hintergrund der Eltern erreicht werden.16 Der Lehrplan 21 sieht mit dem Modul
«Medien und Informatik» die Vermittlung entsprechender Kompetenzen vor.17
Um Lehrpersonen aber nicht mit immer neuen Anforderungen an die Schulen
zu überfordern, könnten in Ergänzung auch sogenannte Peer-Education-
Projekte mit älteren Jugendlichen zum Einsatz kommen und Vertreter von
Selbstregulierungsorganisationen den Unterricht mitgestalten.18
Handlungsempfehlung 2.2: Neben Bildungsinstitutionen müssen sich auch Service-
public-Anbieter in der Vermittlung von Medienkompetenz engagieren.
Ob im klassischen Radio und Fernsehen oder online – insbesondere die SRG
SSR ist als Service-public-Anbieterin prädestiniert, den Bürgerinnen und Bürgern
Medienkompetenz zu vermitteln. Bereits heute wird Lehrpersonen Unter-
16 vgl. Schulz et al. (2015: 134)
17 vgl. Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz (2016)
18 vgl. Schulz et al. (2015: 134)
Schlussfolgerungen 365
richtsmaterial in diesem Bereich zur Verfügung gestellt.19 Aber auch private
Medien mit und ohne Leistungsauftrag können einen Beitrag leisten.
Indes kann Medienkompetenz nur ein Bestandteil politischer Massnahmen sein,
um den Medienwandel zu bewältigen. Ein zu starker Fokus auf Medienkompetenz
anstelle eines breiten Massnahmenpakets läuft Gefahr, die Auswirkungen
der Digitalisierung zu individualisieren und sämtliche Lasten dem Schulsystem
und den Erziehungsberechtigten zu überlassen, statt auch Medien und Plattformbetreiber
in die Pflicht zu nehmen.
8.2.3 Transparenz und Medienethik
Wie nur wenige andere Akteure in der Gesellschaft ziehen Medienunternehmen
und digitale Plattformen Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger auf sich.
Damit geht eine grosse Verantwortung einher.
Die Nutzerinnen und Nutzer müssen darauf vertrauen können, dass Medieninhalte
nach journalistischen Kriterien ausgewählt werden und publizistische
Überlegungen in die Inhaltsproduktion einfliessen. Dies ist nicht nur mit Blick
auf die Meinungsbildung von Bedeutung, sondern es liegt auch im ureigensten
ökonomischen Interesse privater Medienunternehmen, das Vertrauen des Publikums
nicht zu verspielen. Andernfalls droht die Gefahr, dass ein Medium in der
Publikumsgunst abfällt. Doch Eigentum und Erlösmodelle von (diversifizierten)
Medienunternehmen können Auswirkungen auf die Publizistik haben. Einerseits
ist mit Blick auf das Wiedererstarken der Meinungspresse an politische Einflüsse
zu denken. Generell spielen aber auch ökonomische Einflüsse eine Rolle.
Konzentrationsprozesse schreiten weiter voran und es ist denkbar, dass unternehmerische
Eigeninteressen die Berichterstattung prägen, gerade wenn es um
Medienpolitik und Medienkrise geht. Zudem gilt es, die redaktionelle Unabhängigkeit
gegenüber Einflüssen aus (personalisierter) Werbung und neuen Ge-
19 Siehe beispielsweise die Unterlagen von SRF my school (früher Schulfernsehen) auf
http://www.srf.ch/sendungen/myschool/fokus/medienkompetenz-2.
366 Medien und Meinungsmacht
schäftsfeldern zu verteidigen. Kritische Berichterstattung über das eigene Unternehmen
ist eine schwierige Disziplin – je mehr andere Medientitel und Plattformen
zum selben Konzern gehören, desto grösser wird das Problem. Für
Nutzerinnen und Nutzer ist nicht immer ersichtlich, was alles zum gleichen Medienunternehmen
gehört. Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Verknüpfung
von Content und Commerce braucht es aber Transparenz, um journalistische
Leistungen einschätzen zu können. Aufgrund der finanziellen Probleme im
Journalismus hat sich auch die Abhängigkeit der Redaktionen von PR-Material
von Unternehmen und Behörden noch einmal erhöht. Schon immer hat sich der
Journalismus stark an offiziellen Quellen bei Unternehmen und Staat orientiert.
Doch fehlende Ressourcen führen dazu, dass für Eigenrecherche wenig Zeit
bleibt und stärker auf PR-Meldungen zurückgegriffen wird.
Nicht nur bei Medienunternehmen, auch bei neuen Anbietern ist die Transparenz
ein Thema. Neue Intermediäre wie Suchmaschinen und Social Media halten
ihre Algorithmen geheim. Damit bleibt unklar, weshalb welche Inhalte angezeigt
werden, und nicht immer ist ersichtlich, ob kommerzielle Erwägungen
(sponsored content; Beteiligungen) die Selektion beeinflussen (siehe auch
Handlungsempfehlung 2). Einen unbestreitbaren Mehrwert bieten auch neue
Informationsanbieter wie Voting Advice Applications. Sie erlauben den Abgleich
der eigenen Präferenzen mit Kandidierenden und haben möglicherweise eine
Auswirkung auf die Wahlbeteiligung. Doch dieser (positive) Einfluss auf die
Demokratie bedingt wiederum Transparenz über die Funktionsweise.
Medien wie Intermediäre versuchen zudem, mittels «Data Mining» Profile ihrer
Nutzerinnen und Nutzer zu erstellen, die dann monetarisiert werden sollen.
Über die Sammlung, Auswertung und Verwendung der personenbezogenen
Daten besteht indes selten Klarheit.
Aufgrund dieses Bedarfs nach Informationen für die Bürgerinnen und Bürger
wird folgende Handlungsempfehlung ausgesprochen:
Handlungsempfehlung 3: Medienorganisationen und neue Intermediäre
sind gefordert, Transparenz zu gewährleisten.
Schlussfolgerungen 367
Zur Umsetzung dieser Handlungsempfehlung ist einerseits auf Selbstregulierung
und Ausbildung, andererseits auf eine Governance von Algorithmen zu
setzen.
Handlungsempfehlung 3.1: Die Medienbranche sollte ethische Kodizes gegen
die Vermischung publizistischer und kommerzieller Interessen und für Transparenz
über Eigentumsverhältnisse sowie Datensammlung und -verwendung formulieren.
Die Medienbranche kann von sich aus eine Selbstregulierung initiieren, um die
Glaubwürdigkeit der eigenen journalistischen Angebote unter Beweis zu stellen.
Eine Selbstverpflichtung zur Verhinderung kommerzieller Einflüsse auf die Berichterstattung
ist gerade mit Blick auf Einflussversuche von Werbekunden,
neue Werbeformen und die fortschreitenden Diversifikationsprozesse bei mehreren
Medienunternehmen von Bedeutung. Gleichzeitig sollte eine Selbstregulierung
auch Vorgaben zur Erwähnung von Eigentumsverhältnissen in der Berichterstattung
enthalten, damit für Nutzerinnen und Nutzer jederzeit klar ist, ob
ein zum selben Unternehmen gehörendes Produkt in einem Artikel behandelt
wird. Aber auch die Offenlegung von Besitzverhältnissen hat in Zeiten der Repolitisierung
einiger Medien wie Weltwoche oder Basler Zeitung wieder Bedeutung
erlangt. Zudem benötigen die Nutzerinnen und Nutzer von Websites auch
Informationen darüber, was mit ihren Daten geschieht. Hier gelten für alle Anbieter,
aber insbesondere für den Service public, hohe Anforderungen.
Ein entsprechender ethischer Kodex könnte das Vertrauen in Medien nachhaltig
stärken. Selbstregulierung kommt aber äusserst selten ohne staatlichen Druck
zustande.20 Entsprechend könnte die Politik auch eine Co-Regulierung in Betracht
ziehen, d. h. die Branche darauf verpflichten, sich dem Thema anzunehmen.
Handlungsempfehlung 3.2: Transparenzregeln müssen auch in der Journalismusausbildung
vermittelt werden.
20 vgl. Jarren et al. (2002)
368 Medien und Meinungsmacht
Transparenz ist aber nicht nur eine Aufgabe der Medienunternehmen, sondern
auch der Institutionen der Journalismusausbildung. In der Ausbildung des journalistischen
Nachwuchses genauso wie in der Weiterbildung muss auf Veränderungen
in den Redaktionen reagiert werden. Hierzu gehört auch, den kommerziellen
Druck auf Journalistinnen und Journalisten zu thematisieren und mit
Nachdruck Regeln für Transparenz und gegen kommerzielle Einflüsse in der
Berichterstattung zu vermitteln.
Handlungsempfehlung 3.3: Eine Governance von Algorithmen ist notwendig,
um neue Intermediäre in die Pflicht zu nehmen.
Die Algorithmen, die unsere Wahrnehmung auf Social Media prägen und bestimmen,
welche Nachrichten wir zu sehen bekommen, sind geheim. Algorithmen
prägen damit unser Leben («governance by algorithms»). Transparenz
und ein Übergang zu einer Governance von Algorithmen («governance of algorithms
») sind nötig.21 Nationale Lösungen sind hierfür aber wenig Erfolg versprechend.
Für eine Governance von Konzernen wie Google oder Facebook
bedarf es der inter- und transnationalen Zusammenarbeit.
8.2.4 Regulierung des Zugangs zu Technologien
Kooperationen besitzen bereits heute in der Medienbranche einen hohen Stellenwert.
Innerhalb von Medienunternehmen werden durch Mantelzeitungen und
gemeinsame Redaktionen Synergien genutzt. Zwischen Medienunternehmen
sind Kooperationen ebenfalls üblich, sei es in der Publizistik (Teilung von Korrespondenten
und inhaltliche Zulieferungen), beim Druck (Verzicht auf eigene
Druckmaschinen) oder auch in neuen Geschäftsfeldern (Onlinerubrikenmärkte
oder Onlineverzeichnisse). Es ist davon auszugehen, dass solche Kooperationen
aufgrund des hohen Investitionsbedarfs noch zunehmen werden. Kleine
und mittlere Medienhäuser werden kaum in der Lage sein, alleine die notwendigen
Investitionen in digitale Technologien und Know-how (z. B. Implementie-
21 vgl. Just/Latzer (2016); Saurwein/Just/Latzer (2015)
Schlussfolgerungen 369
rung einer Paywall, Aufbau einer Mediathek, Entwicklung von Apps, Aus- und
Weiterbildung) zu stemmen. Insbesondere die Verwertung von Nutzerdaten
erzwingt Kooperationen, da es nicht nur um Investitionen geht, sondern auch
darum, genügend Datenpunkte für eine sinnvolle Verwendung zu generieren.
Wenn Regional- und Lokalmedien an Einnahmen aus zielgruppenspezifischer
Werbung (behavioral targeting) und digitalen Transaktionen partizipieren wollen,
werden sie nicht darum herumkommen, für solche Dienstleistungen mit
einem grösseren Anbieter zusammenzuarbeiten – in der Schweiz entweder mit
Admeira oder Tamedia, oder gleich mit einem ausländischen Anbieter wie
Google. Damit würden sie sich aber potenziell auch in ein Abhängigkeitsverhältnis
bringen.
Um das Überleben kleinerer Verlage auf dem Markt zu ermöglichen, ist die
Politik gefordert, weshalb folgende Handlungsempfehlung formuliert wird:
Handlungsempfehlung 4: Mit politischen Massnahmen ist dafür zu sorgen,
dass alle Medienorganisationen Zugang zu notwendigen Technologien
erhalten.
Zur Sicherstellung des Zugangs zu Technologien, welche für moderne Medienorganisationen
und digitalen Journalismus unerlässlich sind, kommen sowohl
rechtliche Vorgaben als auch eine Zusammenarbeit mit der SRG SSR («Coopetition
») infrage.
Handlungsempfehlung 4.1: Anbieter technologischer Lösungen können auf
einen angemessenen, nicht diskriminierenden und chancengleichen Zugang für
alle Medienorganisationen verpflichtet werden.
Wenn Plattformbetreiber oder Medienhäuser im Markt mit technologischen Lösungen
(z. B. neuen Werbetechnologien, Datenanalyse, Paywalls etc.) zu Anbietern
für andere Medien werden, muss sichergestellt sein, dass sie ihr eigenes
Unternehmen gegenüber der Konkurrenz nicht bevorzugen und sich nicht
wettbewerbshemmend verhalten. Solche technologischen Lösungen können als
eine notwendige Infrastruktur für moderne Medienunternehmen verstanden
werden. Angelehnt an Bestimmungen zur Zugangsregulierung im Digitalfernsehen,
wäre es deshalb möglich, Anbieter von technologischen Lösungen, die
über einen beträchtlichen Marktanteil verfügen, auf einen angemessenen, nicht
370 Medien und Meinungsmacht
diskriminierenden und chancengleichen Zugang für von ihnen unabhängige
Medienorganisationen zu verpflichten.
Handlungsempfehlung 4.2: Die SRG SSR soll im technologischen Bereich privaten
Medienunternehmen Kooperationen anbieten.
Die SRG SSR hat in den vergangenen Jahren intensiv an technologischen Innovationen
gearbeitet. So wurden beispielsweise ein Webplayer für die eigenen
Audio- und Videoinhalte (Mediathek) oder diverse Apps entwickelt. Die Transformation
von einem klassischen Rundfunkveranstalter zu einer digitalen Medienorganisation
ist notwendig und richtig. Die mit öffentlichen Geldern getätigten
Investitionen in neue Technologien sollten aber der Schweizer Medienlandschaft
insgesamt zugutekommen.
Entsprechend sollte die SRG SSR privaten Medien im Sinne einer «Coopetition
» Kooperationen anbieten.22 Während eine Zusammenarbeit im publizistischen
Bereich nicht zuletzt mit Blick auf die Medienvielfalt problematisch ist,
bieten technologische Kooperationen zahlreiche Chancen. So würden beispielsweise
schwach alimentierte Regionalsender davon profitieren. Mit der
Technologie der SRG SSR und Gebührengeldern könnten konzessionierte Radio-
und Fernsehsender mit Leistungsauftrag dazu verpflichtet werden, sich an
einer gemeinsamen Audio- und Video-on-Demand-Plattform im Internet zu beteiligen.
Dadurch würde eine Onlineplattform entstehen, die mit den Angeboten
von SRF, RTS, RSI und RTR in publizistischer Konkurrenz stünde und damit
zur Stärkung der Medienvielfalt beitragen würde.
363 - 376

***
4) 8.3 Fazit
Demokratien benötigen ein funktionierendes Mediensystem und unabhängigen
Journalismus. Die Berichterstattung über Politik und Gesellschaft ist eine wichtige
Voraussetzung für die Meinungs- und Willensbildung der Bürgerinnen und
Bürger. Dies gilt für eine direkte Demokratie wie die Schweiz umso mehr. Insofern
kann Journalismus als eine notwendige Infrastruktur für demokratische
Gesellschaften verstanden werden.
Doch mit ausgelöst durch die Digitalisierung befindet sich das Mediensystem in
einem fundamentalen Umbruch. Das Internet bietet für die Demokratie und für
den Journalismus mannigfaltige Möglichkeiten. Aber die Konkurrenz durch soziale
Netzwerke und Suchmaschinen beschert den klassischen Medienorganisationen
sinkende Einnahmen – Sparrunden im Journalismus sind die Folge.
Trotz Suche nach neuen Geschäftsmodellen und einer Diversifikation in neue
Geschäftsfelder ist unklar, wie sich Journalismus künftig finanzieren lässt. Je
mehr sich neue Intermediäre wie Facebook zwischen Medienorganisationen
und Publikum drängen, desto unsicherer werden die Finanzierungsperspektiven.
Für eine Finanzierung auf dem Markt gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten,
deren Erfolgsaussichten ungewiss sind. Medien können entweder versuchen,
sich über höhere Abonnementsgebühren zu finanzieren, dürften dabei aber zu
einem Nischenprodukt für eine gesellschaftliche Elite werden. Oder sie versuchen
über Werbung und digitale Transaktionen Einnahmen zu generieren, was
Reichweite und damit qualitätsniedrigere Inhalte erfordert. Wenn Medien ein
rein politisches Projekt sind und keinen Gewinn erwirtschaften müssen, bleibt
als dritte Möglichkeit auch eine Repolitisierung. Das Wiederaufleben der Meinungspresse
dürfte aber auf wenige Titel beschränkt bleiben.
In dieser Situation ist ein «Infrastrukturprogramm für Journalismus» dringlich.
Untätiges Zuwarten dürfte zu weiteren Sparmassnahmen und Konzentrationsprozessen
führen. Medien sind mehr als nur ein Wirtschaftsgut und sperren sich
gegen eine rein ökonomische Betrachtung. Entsprechend muss auch Medienpolitik
sich nicht allein ökonomisch begründen lassen. Vielmehr sollte die Medienpolitik
ihre Gestaltungsmöglichkeiten aktiv wahrnehmen, um ein Mediensystem
zu erhalten, das der Schweizer Demokratie gerecht wird. Gleichzeitig sind
aber auch die Medienbranche selbst sowie die Bürgerinnen und Bürger gefordert.
Die sechs Handlungsempfehlungen, die in diesem Kapitel vorgestellt wurden,
sind im besten Fall ein konstruktiver Beitrag für anstehende medienpolitische
Diskussionen.

***
5) Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... 9
Tabellenverzeichnis ......................................................................................... 13
Danksagung ..................................................................................................... 17
Zusammenfassung .......................................................................................... 19
Summary .......................................................................................................... 33
Résumé ............................................................................................................. 45
Riassunto ......................................................................................................... 59
1. Einleitung ............................................................................................... 73
Manuel Puppis
Problemstellung: Die Folgen des Medienwandels für die
Demokratie .................................................................................... 74
Auftrag und Forschungsfragen ..................................................... 78
Aufbau der Studie ......................................................................... 82
2. Forschungsstand:
Was wir bisher über den Medienwandel wissen ................................ 85
Stefan Bosshart & Brigitte Hofstetter
Medienwandel – Medienkrise? ..................................................... 86
2.1.1 Finanzierungskrise des Journalismus................................. 86
2.1.2 Eigentumskonzentration und publizistische Kooperationen
.................................................................................. 89
2.1.3 Synergien und konvergente Redaktionsstrukturen ............. 92
2.1.4 Einschränkungen der Berichterstattungsfreiheit ................. 95
Internet und Demokratie ................................................................ 98
2.2.1 Wandel der Öffentlichkeit im Internet .................................. 99
4 Medien und Meinungsmacht
2.2.2 Kommunikation politischer Akteure im Internet ................ 106
2.2.3 Bürgerinnen und Bürger im Internet ................................. 109
3. Themenagenden von Medien, Politik und Bevölkerung .................. 113
Michael Schenk, Stefan Bosshart, Brigitte Hofstetter & Belinda Notter
Theoretischer Hintergrund .......................................................... 114
3.1.1 Medienagenda, politische Agenda und Publikumsagenda
.............................................................................. 114
3.1.2 Forschungsfragen ............................................................. 118
Medienagenda ............................................................................. 122
3.2.1 Methodische Vorgehensweise .......................................... 122
3.2.2 Medienagenda im intermedialen Vergleich ....................... 124
3.2.3 Politischer Informationsgehalt verschiedener Printtypen .. 127
Politische Agenda ........................................................................ 128
3.3.1 Methodische Vorgehensweise .......................................... 128
3.3.2 Die politische Agenda unter Eindruck der Flüchtlingskrise...................................................................................
129
3.3.3 Die symbolische Agenda des Parlaments ........................ 131
3.3.4 Parteikommunikation entlang der «Issue Ownership» ..... 133
Publikumsagenda ........................................................................ 135
3.4.1 Methodische Vorgehensweise .......................................... 135
3.4.2 Aktuelles Problembewusstsein der
Schweizer Bevölkerung .................................................... 137
3.4.3 Problembewusstsein im Zeitverlauf .................................. 139
3.4.4 Einfluss von politischer Einstellung, Alter und
Medienvertrauen ............................................................... 142
Agenda-Building .......................................................................... 147
3.5.1 Methodische Vorgehensweise .......................................... 147
3.5.2 Gegenüberstellung der Agenden ...................................... 148
3.5.3 Agenda-Building-Dreieck .................................................. 152
3.5.4 Unterschiede zwischen Medientypen ............................... 161
Hauptbefunde ..............................................................................
...................................... 319
7. Voting Advice Applications ................................................................ 323
Andreas Ladner
Theoretischer Hintergrund .......................................................... 324
7.1.1 Die Bedeutung von Voting Advice Applications ................ 324
7.1.2 Methodische Vorgehensweise .......................................... 329
Nutzung und Verbreitung von smartvote ..................................... 331
Befragung der Nutzer .................................................................. 335
7.3.1 Wer sind die Benutzer? ..................................................... 335
7.3.2 Einfluss auf den Wahlentscheid von smartvote ................ 336
7.3.3 Art des Wählens ................................................................ 338
7.3.4 Traditionell Wählende und smartvote-Wählende .............. 339
7.3.5 Bedeutung von smartvote für den Wahlentscheid ............ 342
7.3.6 Erwartungen an die Gewählten ......................................... 345
Ergebnisse aus der Befragung der Kandidierenden ................... 347
Hauptbefunde .............................................................................. 350
Inhaltsverzeichnis 7
8. Schlussfolgerungen ............................................................................ 353
Manuel Puppis, Michael Schenk, Stefan Bosshart & Brigitte Hofstetter
Rekapitulation und Forschungsfrage .......................................... 354
Handlungsempfehlungen ............................................................ 356
8.2.1 Sicherung von Journalismus ............................................. 356
8.2.2 Förderung von Medienkompetenz .................................... 362
8.2.3 Transparenz und Medienethik .......................................... 365
8.2.4 Regulierung des Zugangs zu Technologien ..................... 368
8.2.5 Interaktion und Inklusion der Bürgerinnen und Bürger ..... 371
8.2.6 Neue Messmethoden für Mediennutzung ......................... 374
Fazit ............................................................................................. 376
Literatur und Dokumente .............................................................................. 379
Glossar ........................................................................................................... 407
Anhang ........................................................................................................... 419
****