Architektur in den Alpen . Sublime Visionen . Von Susanne Stacher

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Alpenraum - Sublime Visionen
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Online-Publikation: Oktober 2018 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Architektur in den Alpen . Sublime Visionen . Von Susanne Stacher >>
BIRKHÄUSER: 224 Seiten Abb.; Broschur; ISBN 978-3-0356-1498-5; € [D] 39.95; UVP / US$ 45.99 / GBP 36.50
Edition Angewandte, Universität für angewandte Kunst Wien
http://www.dieangewandte.at ; http://www.degruyter.com/

Charakteristika
• Alpen - Ort für Utopien im Zeitenwandel
• Alpine Architektur längs der Kulturgeschichte
• Ein weites Spektrum mit einem originellen Ansatz: von der Philosophie des Erhabenen bis hin zu   visionären Architekturen
• Edition Angewandte - Buchreihe der Universität für angewandte Kunst Wien
• Topoi:
> Architektur und Design >Alpen >Erhabenes > Utopie
> Städte, Regionen > Theorie > Typen > Funktionen
> Zielgruppen: Architekten, Studenten, Tourismusmanager, interessierte LaienFachgebiete

Inhalt
Im 18. Jahrhundert wurden die Alpen zum Topos einer neuartigen Naturbetrachtung, die sich im Begriff des Sublimen und Erhabenen kristallisierte. Zwischen Schrecken und Faszination changierend, löste dieser Gefühlszustand eine erregende Grenzerfahrung aus: Reisende suchten sehnsuchtsvoll die Welt der Berge auf und projizierten ganz unterschiedliche Träume in die noch zu erschließende „wilde Natur" .
Auf welche Weise hat das Erhabene die Architektur in den Alpen vom Beginn des Tourismus bis heute beeinflusst? Mit dieser Leitfrage analysiert die Autorin die alpine Architektur längs der Architekturgeschichte und liefert zudem eine kritische Betrachtung des heutigen Tourismus. Ein Buch, das inspiriert: zum Nachdenken über das zukünftige Bauen in den Alpen und über unsere Beziehung zur Natur.

Autorin
Susanne Stacher
mailto:redaktion@architektur-aktuell.at
https://www.architektur-aktuell.at/autor/susanne-stacher

Geleitwort - Auszug: Matthias Boeckl
https://www.architektur-aktuell.at/personality/matthias-boeckl
https://www.architektur-aktuell.at/autor/matthias-boeckl


Fazit, vorangestellt
Susanne Stacher (Diss. an der Uni di:'angewandte /Wien & an der ènsa-v / Versailles) vermag mit dem immer noch effizienten Werkzeug (1) des Sublimen  (2) auf interdisziplinär-synästhetische Weise in ihrem Lehr- und Diskursbuch die "Architektur in den Alpen" Sublime Visionen darzubieten.
 Es geht ihr um das alpin-Erhabene, um eine therapeutische Landschaft, den Kampf um Macht und Furcht (Adoleszenz & Erziehungsstätten), die Bewegung, den Rausch und den Schwindel (Schaudern und Begeisterung, u.a. Seilbahnen) und schliesslich um das Sublimieren von 30 000 Betten zur Eroberung der Alpen für die Konsumgesellschaft. Andrerseits liefert das Manifest von Giedion 1929  mit 'Licht, Luft, Öffnung'  ein Fanal 'den häuslichen Ort zu sprengen, ihn nach aussen zu projizieren…, um sich zu atmosphärischen Elementen (u.a zum Erhabenen (3) zu  versetzen', so P. Amaldi in seinem Nachwort.
Diese eröffnete Querfeldein-Analyse fordert zum weiteren Diskurs zum Sublimen im Alpenraum heraus. Und das ist gut so - und weiter so erforderlich. m+w.p18-10


1) Matthias Boeckl
lehrt Architekturgeschichte an der Universität für angewandte Kunst in Wien und ist Chefredakteur des zweisprachig erscheinenden internationalen Fachmagazins architektur.aktuell. Er ist Autor zahlreicher Aufsätze und Bücher sowie Ausstellungskurator zu Themen der modernen und zeitgenössischen Kunst und Architektur.
https://www.architektur-aktuell.at/personality/matthias-boeckl
https://www.architektur-aktuell.at/autor/matthias-boeckl
2) sublim
als synästhetisch-transdisziplinäres Werkzeug (dünnhäutig veredelt)
anspruchsvoll, aufgefächert, detailliert, differenziert, eigen, empfindlich, extra, gebildet, geistig hoch stehend, heikel, ins Detail gehend, kritisch, kultiviert, kulturell hoch stehend, mit Niveau, mäklig, niveauvoll, nuanciert, schattiert, schleckig, schwer zu befriedigen, sublim, unbescheiden, verfeinert, verwöhnt, von Niveau, wählerisch, zimperlich, gehoben, strebsam, tadelnd, veredelt, übertrieben, üppig, anmaßend
https://synonyme.woxikon.de/synonyme/sublim.php
3) Als ästhetische Kategorie bezeichnet das Erhabene
etwas Wahrnehmbares, dessen wesentliche Eigenschaft eine Anmutung von Größe, gegebenenfalls sogar Heiligkeit ist, die über das gewöhnlich Schöne hinausreicht. Das Sublime bzw. Erhabene ist daher stets auch mit dem Gefühl von Unerreichbarkeit und Unermesslichkeit verbunden. Es löst Erstaunen aus, das mit Ehrfurcht und/oder Schrecken verbunden ist.
Die Unterscheidung des Erhabenen vom Schönen scheint eine genuin westlich-abendländische zu sein; die östliche Philosophie, speziell die chinesische, kennt dergleichen nicht.

https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Erhabene

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Inhaltsfolge
Matthias Boeckl – Zum Geleit
Philippe Potié – Die Alpen als Verstärker städtischen Lebens
Einleitung
Baldine Saint Girons – Das Sublime als Prinzip der
Selbstüberschreitung
1 Die Entstehung des alpinen Erhabenen
• Das Aufkommen des Naturerhabenen
• Berge als Freiheitssymbol
• Wilde Berge als Szenerie, wilde Berge zur Erforschung
• Künstliche Berge. Vom Sublimen zum Pittoresken
• Die Städter erobern die Alpen. Das Erhabene als
Leitmotiv der Alpenrezeption
• Die körperliche Dimension des ‹Sublimen›
1 ‹La Montagne› als Freiheitskult der Französischen
Revolution, 1794
2 Künstliche Berge
als ‹temples de la Raison›, 1793
3 Wolfgang Hagenauer, Badeschloss in Wildbad Gastein,
1791–1794
4 Robert Barkers Panorama, Architekt Robert Mitchell,
London, 1793(–1864)
5 Louis Daguerre, Diorama, 1822
Weltausstellungen
6 ‹Schweizer Dorf›, Exposition Nationale Suisse, Genf 1896;
Pariser Weltausstellung 1900
7 Giovanni Segantini, Entwurf eines Engadin-Panoramas,
Pariser Weltausstellung 1900
8 Dreamland, Coney Island,
New York, 1904–1911
9 Valerio Olgiati mit Bonzi Verme Peterli, Entwurf Panorama
Gornergrat, 2011
2 Kristall, Kristallisation
• Der Kristall in der Kulturgeschichte
• Der Kristall in der Kunsttheorie
• Das Kristalline in der Architektur – der Architekt als
utopischer Schöpfer
• Die ‹Beseelung› der ‹lebendigen› Kristalle in Architektur,
Tanz und Film
• Kristallarchitektur in den Alpen, von den 1950er Jahren
bis heute
10 Paul Scheerbart,
Glasarchitektur, 1914
11 Bruno Taut,
Alpine Architektur, 1919
12 Rudolf von Laban,
Der Tänzer im Kristall
13 Kristallmystik im Bergfilm – Arnold Fanck,
Der Heilige Berg, 1926
14 Leni Riefenstahl,
Das blaue Licht, 1932
15 Richard Buckminster Fuller, Geodätische Kugeln
als kosmischer Weltbegriff, 1949–1981
16 Gerhard Garstenauer, kristalline Kugeln als
Skiliftstation in Sportgastein, 1972
17 Andrea Deplazes mit Studio Monte Rosa ETH Zürich,
Monte-Rosa-Hütte, 2009
3 Therapeutische Landschaft
• ‹Der neue Mensch› und die heil(s)bringende Natur
• Lebensphilosophie, Freikörperkultur und Wandervereine
• Monte Verità, eine widersprüchliche Gegenwelt
• Sonne im Dienst der Gesundheit
• Die Architektur der Gesundheit
18 Reformkolonie Monte Verità, Lufthütten und Flachdach,
1900–1924
19 Rudolf von Laban,
Sonnentanz auf dem Monte Verità, 1917
20 Emil Fahrenkamp, Hotel Monte Verità –
Untergang und Neubeginn, 1927–1928
21 Juraj Neidhardt,
Entwürfe für ein Sanatorium in Davos, 1930
22 Die künstlichen Sonnen des Alpenstrandbads, Panhans
und Südbahnhotel, 1932–1933
23 Rudolf Gaberel, Umbau von Sanatorien in Davos, 1929,
1928–1939
24 Pol Abraham und Henry Jacques Le Même: Entwurf
Sanatorium Plaine-Joux, Plateau d’Assy, 1927–1929
25 Pol Abraham und Henry Jacques Le Même:
Kindersanatorium Roc des Fiz, Plateau d’Assy, 1932
26 Villaggio Sanatoriale di Sondalo,
1932–1940
27 A.Farde, P. Souzy, drehendes Solarium von Jean Saidman,
Aix-les-Bains 1930, Jamnagar 1934, Vallauris 1945
28 Peter Zumthor, Therme in Vals, 1990–1996

*
Matthias Boeckl – Zum Geleit
Das vorliegende Buch entstand auf Basis einer Dissertation
an der Universität für angewandte Kunst Wien und an der
École nationale supérieure d’architecture de Versailles. Mit
der Bergwelt widmet es sich einem ebenso zentralen wie
facettenreichen Schauplatz der Debatten moderner Architektur
und dokumentiert sie aus den Perspektiven verschiedener
Disziplinen. Erstmals wurde der Themenkomplex damit –
angelehnt an die enzyklopädische Tradition der Aufklärung –
umfassend, in vielseitig verwendbarem Lehrbuchcharakter
und mit der Expertise einer ausgebildeten Architektin anschaulich
aufbereitet.
Wie kam die Auseinandersetzung mit der alpinen Natur zu
ihrer wichtigen Rolle in den Diskussionen der Moderne? Die
Antwort liegt in deren fundamental ambivalentem Charakter.
Einerseits waren die ungebändigten Naturgewalten mitten im
Herzen des Kontinents, der die Moderne erfunden hat, für
deren rationale Seite eine ungeheure Herausforderung: Wie
die urbane Zivilisation sollte auch dieser potenziell gefährliche
Naturraum erschlossen und großtechnisch kontrolliert werden.
Andererseits löst aber das Erlebnis eben dieser Naturgewalten
in uns schon seit je archaische, intensiv emotionale Reaktionen
aus. Auch heute kann sich niemand, der aus demTal in wenigen
Minuten mit der Seilbahn auf einen tausende Meter hohen,
schneebedeckten Gipfel mit schroffen Abstürzen inmitten einer
bis zum Horizont ausgedehnten Bergwelt fährt, diesen elementar
anrührenden und zutiefst aufwühlenden Gefühlen
entziehen. Deren Spuren finden sich in der gesamten europäischen
Geistesgeschichte und wurden in der Aufklärung
im komplexen Begriff des Sublimen gebündelt. Danach konnten
die europäischen Alpen trotz fortschreitender Industrialisierung
bis heute Reste ihrer Ursprünglichkeit erhalten. Die Bergwelt
wandelte sich vom Angstszenario immer mehr zur kostbaren,
magischen, heilkräftigen Ressource. So zeigte sie der Moderne
bald ihre Grenzen auf: Technoide Zivilisation kann Stammhirn-
Funktionen weder ersetzen noch künstlich generieren.
Diese Spannung wirkte intensiv auf die künstlerische Produktion
der Moderne, die ja stets ganze Lebenswelten entwerfen
wollte. Im Gebirge steht sie auf dem Prüfstand: Sie muss die
gewaltige, aber zugleich höchst verletzliche Ressource mit
intelligenten Strategien auf eine Weise nutzbar machen, die
sie nicht zerstört. Das erfordert höchste kreative und technische
Leistungen. Die moderne Architektur hat diese Herausforderung
angenommen, viele ihrer größten Geister befassen sich bis
heute mit dem Bauen in den Bergen. So entstanden wirkmächtige
Strukturen und kraftvolle Symbole.
Susanne Stacher erschließt die Geschichte dieser Debatte auf
den folgenden Seiten mit dem immer noch effizienten Werkzeug
des Sublimen quer durch die unterschiedlichsten Disziplinen,
von der Philosophie über die Medizin bis zu den Künsten,
unter denen die Architektur im Zentrum des Interesses steht.
Das Buch ist aber auch ein Standardwerk zur Selbstbefragung
und prekären Legitimation der Moderne vor dem Hintergrund
einer heute gefährdeten Umwelt, die unsere DNA seit Jahrtausenden
wesentlich mitgeprägt hat.
Matthias Boeckl, Professor an der Universität für angewandte
Kunst Wien

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